„Die Taliban müssen diese grausamen Racheakte sofort einstellen und dafür sorgen, dass Mitarbeiter*innen der früheren Regierung und ihre Familien sicher in Afghanistan leben können. Die neue Regierung muss deutlich machen, dass solche schweren Verstöße nicht geduldet werden und, dass die Verantwortlichen strafrechtlich verfolgt werden“, sagte Agnès Callamard.
Die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, die von den Taliban begangen wurden, seit sie im August 2021 die Kontrolle über Afghanistan übernommen haben, hat sich als schwierig erwiesen, da die Gruppe in vielen Regionen den Mobilfunkdienst abgeschaltet hat. Kurz nach dem Fall von Kabul dokumentierte Amnesty International, wie Taliban-Kämpfer nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz Ghazni ein Massaker an neun Hazara-Männern begangen haben.
taliban TÖTETEN Ehemalige Sicherheitskräfte nach ihrer Kapitulation
Am 14. August übernahmen die Taliban die Kontrolle über die Provinz Daykundi. Schätzungsweise 34 ehemalige ANDSF-Angehörige suchten zunächst im Bezirk Khidir Schutz. Sie hatten militärische Ausrüstung und Waffen der Regierung bei sich. Als die Taliban in der Region an Macht gewann, ergaben sich die ANDSF-Angehörigen.
Mohammad Azim Sedaqat, der die Kapitulation anführte, veranlasste, die Waffen in Anwesenheit der Taliban zu entschärfen. Am 29. August verhandelten die Männer über eine vollständige Kapitulation vor den Taliban.
Am 30. August trafen schätzungsweise 300 Taliban-Kämpfer in einem Konvoi in der Nähe des Dorfes Dahani Qul ein, in dem sich die ANDSF-Angehörigen aufhielten, einige davon mit ihren Familien. Als die ANDSF-Mitglieder versuchten, das Gebiet mit ihren Familien zu verlassen, blieb ein Fahrzeug in der Nähe des Dorfes Kahor stecken. Als die Taliban-Kämpfer sie einholten, eröffneten sie das Feuer auf die Menge und töteten das 17-jährige Mädchen Masuma. Einer der ANDSF-Angehörigen schoss daraufhin zurück, tötete einen Taliban-Kämpfer und verwundete einen weiteren.
Die Taliban schossen weiter auf die flüchtenden Familien und töteten zwei ANDSF-Angehörige. Neun weitere ANDSF-Angehörige ergaben sich. Die Taliban brachten sie umgehend zu einem nahe gelegenen Flussbecken und richteten sie hin.
Videos und Fotos, die Amnesty International gesichtet hat, zeigen die Leichen von 11 Männern, wobei viele von ihnen Schusswunden am Kopf aufweisen. Auf einem Video ist zu sehen, wie eine Leiche einen Abhang hinaufgetragen wird. Amnesty International war nicht in der Lage, dieses Video zu lokalisieren, aber der Inhalt stimmt mit Augenzeug*innen-Berichten überein, laut denen die Hinrichtungen in der Nähe von Kahor stattfanden.
Die Namen und das geschätzte Alter der 11 ANDSF-Mitglieder sind: Musa Amiri, 46; Khudad Jawahiri, 33; Esmatullah Zarigh, 34; Noor Ali Ibrahimi, 34; Habibullah, 33; Amanullah, 32; Reza Karimi, 31; Dawran, 26; Dur Mohammad, 41; Abdul Hamid Fahimi, 28; und Reza Joya, 33.
Drohungen der Taliban GEGEN DORFBEWOHNER*INNEN
Am 31. August, dem Tag nach den Tötungen, brachten die Dorfbewohner*innen die Leichen nach Dahani Qul, von wo aus sie zu Familiengräbern zur Beisetzung gebracht wurden. Amnesty International überprüfte und verifizierte Informationen, die die Lage von zwei der Gräber und die Identität der dort begrabenen Personen bestätigten.
Die Taliban forderten dann die verbleibenden Familienmitglieder auf, zurückzukehren und sich innerhalb von drei Tagen zu ergeben. Befragte berichteten Amnesty International, dass ein hochrangiges Taliban-Mitglied sagte: "Ich habe in den letzten 20 Jahren Menschen getötet. Das Töten fällt mir leicht. Ich kann wieder töten."
Am 1. September bestritt Sadiqullah Abed, der von den Taliban ernannte Polizeichef der Provinz Daykundi, dass es zu Tötungen gekommen sei, und bestätigte nur, dass ein Taliban-Mitglied bei einem Angriff in Daykundi verwundet worden sei.