Rückführungen aus Bulgarien, Kroatien und Griechenland
Die internationale Verpflichtung, schutzsuchende Menschen einreisen zu lassen, und die Pflicht zur Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips gelten nicht nur für Afghanistans Nachbarländer, sondern auch für Länder, die auf dem Luft- oder Seeweg bzw. mittels der Durchreise durch andere Länder erreicht werden können. Anders gesagt: Es wird völkerrechtlich nicht unterschieden, ob Schutzsuchende mit oder ohne gültige Papiere einreisen.
Nichtsdestotrotz werden Afghan*innen unter anderem aus Ländern wie Bulgarien, Kroatien und Griechenland nach wie vor zurückgeschoben. Polen hat gar neue Regelungen eingeführt, nach denen Menschen, die ohne offizielle Erlaubnis eingereist sind, in Polen kein Asyl beantragen können.
Seit dem 19. August sitzen 32 Afghan*innen an der Grenze zwischen Polen und Belarus fest, nachdem sie aus Polen nach Belarus gebracht wurden, vermutlich im Rahmen eines Push-Back und ohne eine individuelle Beurteilung ihrer jeweiligen Umstände. Die polnischen und belarussischen Grenzbeamt*innen halten diese Menschen auf einer kleinen grenznahen Fläche fest, wo sie weder Zugang zu angemessenen Unterkünften und Gesundheitsleistungen haben noch über ausreichend Trinkwasser oder Nahrungsmittel verfügen.
Indessen verkündeten die türkischen Behörden im Juli 2021 angesichts erhöhter Einreisezahlen aus Afghanistan den weiteren Ausbau einer Mauer an der Grenze zum Iran. Gleichzeitig werden in der Türkei weiterhin Afghan*innen ohne gültige Papiere festgenommen und abgeschoben.
Afghan*innen mussten sich problematischen Sicherheitsüberprüfungen unterziehen – unter anderem in Deutschland
Amnesty International weist zudem auf die problematischen Folgen von Sicherheitsfreigabeverfahren hin, die schutzsuchende Afghan*innen in manchen Ländern durchlaufen müssen. So verlangt Deutschland beispielsweise, dass Afghan*innen sich einer behördlichen Sicherheitsüberprüfung unterziehen, bevor sie für eine Evakuierung in Frage kommen. Allerdings ist die deutsche Botschaft in Kabul derzeit geschlossen und es gibt somit keine deutsche diplomatische Vertretung in Afghanistan. Die US-amerikanische Regierung unter Präsident Biden hat die Absicht verkündet, bis Ende September 2022 insgesamt 95.000 evakuierte Menschen aus Afghanistan neu ansiedeln zu wollen. Allerdings bestehen nach wie vor Bedenken bezüglich der Behandlung evakuierter Afghan*innen auf Militärstützpunkten der USA sowie hinsichtlich der Inhaftierung und Überstellung an Drittstaaten von evakuierten Afghan*innen, die an den strengen Sicherheitschecks gescheitert sind.
Die Welt darf Afghanistan nicht im Stich lassen
Angesichts der sich stets verschlechternden Menschenrechtslage in Afghanistan müssen alle Länder unverzüglich Maßnahmen ergreifen um sicherzustellen, dass insbesondere Frauen, die sich aktivistisch betätigen, sowie Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Angehörige marginalisierter ethnischer oder religiöser Minderheiten aus Afghanistan ausreisen können. Alle Staaten müssen sowohl neuankommenden Menschen als auch Afghan*innen, die sich bereits auf ihrem Territorium befinden, internationalen Schutz gewähren und andere Länder in ihrer Region dabei unterstützen, ihrerseits die Rechte von dort einreisenden Afghan*innen zu garantieren.
„Das Leben Tausender Menschen, die sich in ihrem Land unermüdlich für die Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, Rechtsstaatlichkeit und demokratische Freiheit eingesetzt haben, hängt nun an einem seidenen Faden“, warnt Francesca Pizzutelli.