Amnesty International dokumentierte Fälle, in denen Gummi- oder Schaumstoff-Munition aus kurzer Distanz auf Menschen abgefeuert wurde, um Menschenansammlungen aufzulösen. Diese Geschosse kamen auch in teilweise räumlich begrenzten Plätzen wie Parkplätzen und im Gebiet um den Flughafen Barcelona zum Einsatz.
Verletzungen durch Riot-Munition
Am 14. Oktober kam es am Flughafen El Prat durch den Einsatz solcher Projektile in zwei Fällen zu schweren Verletzungen. Nach Informationen des behandelnden Krankenhauses verlor ein 22-jähriger Mann ein Auge nachdem er von einem projektilähnlichen Gegenstand aus Gummi- oder Schaumstoff getroffen worden war. Der zweite Verletzte war von einem ähnlichen Objekt an den Hoden getroffen worden und musste operiert werden.
„Die Art und Weise, wie Anti-Riot-Munition bei diesen Demonstrationen eingesetzt wird, ist besorgniserregend. Es ist von größter Wichtigkeit, dass sich die Sicherheitskräfte an das Prinzip des angemessenen Einsatzes von Gewalt halten und diese nur bei absoluter Notwendigkeit anzuwenden. Nur so reagieren sie auf Gewaltakte richtig und ermöglichen es friedlichen Demonstrant*innen, weiterhin zu demonstrieren“, so Marie Struthers, Direktorin von Amnesty International Europe.
Gemäß internationalen Standards zur Anwendung von Gewalt dürfen Gummi- oder Schaumstoff-Projektile niemals gegen friedliche Demonstrant*innen oder in Situationen eingesetzt werden, in denen Passant*innen verletzt werden könnten. Aufgrund des schweren Verletzungsrisikos darf diese Munition nicht zur Zerstreuung von Menschenmassen angewandt werden. Sie darf ausschließlich zur direkten Abwehr von Einzelpersonen, von denen Gewalt ausgeht, eingesetzt werden, wenn auf diese so gezielt werden kann, dass keine anderen Personen gefährdet werden. Der willkürliche Einsatz solcher Projektile auch als Querschläger gegen Menschenansammlungen muss verboten sein.
Amnesty International bestätigte vor Ort auch die Anwendung einer Polizeitaktik, die umgangssprachlich das „Karussell“ genannt wird, bei dem Polizeibusse einfach in eine Menschenmenge hineinfahren, um diese zu zerstreuen. Amnesty International sieht darin ein extrem gefährliches Manöver, bei dem Passant*innen und friedliche Demonstrant*innen gefährdet werden.
„Die Behörden müssen sicherstellen, dass die Entscheidung zur Zerstreuung einer Menschenmenge erst den letzten Schritt darstellt, nachdem gelindere Mittel keine Wirkung zeigten. Jeglicher Befehl zur Auflösung einer Menschenansammlung muss deutlich kommuniziert werden, um den Menschen genügend Zeit einzuräumen, sich freiwillig zurückzuziehen. Die angewendete Gewalt muss immer mit dem tatsächlich geübten Widerstand im Verhältnis stehen. Wenn ein Gewalteinsatz notwendig wird, müssen es die Sicherheitskräfte vermeiden, Menschen zu verletzen, die nur passiven Widerstand zeigen“, erklärt Adriana Ribas, Koordinatorin von Amnesty International Katalonien.