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Er organisiert seit Jahren Hilfsgüter für Geflüchtete, rappt gegen Rechtsextreme und legt sich vor Gericht mit politischen Institutionen an: Petar „Pero“ Rosandić setzt mit seinem Aktivismus da an, wo die EU versagt.
Bild und Text von Alex Stanić
Es ist heiß im Wiener Handelsgericht, als Petar „Pero“ Rosandić alias Kid Pex im Juli 2023 der Prozess gemacht wird. Auf seinem T-Shirt steht: „Österreich kann tödlich sein“. Diese Ansage passt zum Image von Kid Pex: Er rappt über Rassismus, über Rechtsextreme, über das Wegsehen. Der Saal ist bis auf den letzten Platz belegt, bei der Urteilsverkündung herrscht Stille. Der Richter weist die Klage gegen ihn ab. Jubel, Erleichterung, Umarmungen. Rosandić streckt die Faust in die Luft, umgeben von Menschen, die nicht nur seinen juristischen Triumph gegen das International Center for Migration Policy Development (ICMPD) feiern, sondern – wie er sagt – einen Sieg der Gerechtigkeit.
Der Aktivist musste sich verantworten, weil er ein in Bosnien-Herzegowina illegal erbautes und von Österreich mitfinanziertes Gefängnis für Geflüchtete als „österreichisches Guantánamo“ bezeichnet hatte. Angetrieben von seinem Gerechtigkeitssinn und unbeirrt durch Einschüchterungsversuche sieht Rosandić hin, wenn die EU wegschaut. Seit 2019 versorgt sein Verein SOS Balkanroute Geflüchtete mit Lebensmitteln, Kleidung, medizinischer Hilfe – und mit etwas, das schwerer zu beschaffen ist: Aufmerksamkeit. Die Organisation dokumentiert Polizeigewalt, vernetzt lokale mit österreichischen Initiativen und organisiert Pressereisen, um sichtbar zu machen, was keine 500 Kilometer von Wien entfernt geschieht.
Petar Rosandić wurde 1984 in Zagreb geboren und floh zu Beginn des Krieges in den 1990er Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Wien. „Ich wurde aus meinem Umfeld gerissen und brauchte lange, um mich von dem Schock zu erholen“, erklärt er. Seine Eltern schickten ihn in eine katholische Privatschule, wo er als Flüchtlingskind gemobbt und ausgeschlossen wurde. Später fand er Freund*innen – serbische, türkische, albanische – und begriff, wie ungerecht das Bildungssystem ist. Problematische Kommentare vom Lehrpersonal über „Jugos“, österreichische Mitschüler*innen, die bevorzugt wurden, ein Klassenvorstand, der ihm nicht zutraute, seinen Abschluss auf Deutsch zu machen. Schon als Jugendlicher verstand er: Wer still bleibt, verliert.
„2000 engagierte ich mich das erste Mal politisch, als ich zu den Demos gegen Schwarz-Blau ging“, erinnert sich Rosandić. 2013 war er beim Refugee Protest Camp Vienna in der Votivkirche in Wien, wo Geflüchtete in Hungerstreik traten. „Damals wurde ich für die menschenunwürdigen Dinge, die Geflüchtete erleben, so richtig sensibilisiert.“ Kurz darauf brachte er Spenden an die ungarisch-serbische Grenze. 2019, nach einem Besuch im Flüchtlingscamp Vučjak in Bosnien, gründete er SOS Balkanroute. „Vučjak hat mich für immer verändert“, sagt er. Keine Toiletten, keine medizinische Versorgung, kein Wasser, kein Strom, keine Empathie. In einer Zeit, in der sich Politiker*innen wie Sebastian Kurz damit brüsteten, „die Balkanroute geschlossen zu haben“, verbrachte Rosandić Wochen in Bosnien, um Geflüchteten zu helfen.
Anfang der 2000er begann Rosandić, Musik als politisches Sprachrohr zu nutzen. Als Kid Pex machte er sich in der Wiener Hip-Hop-Szene einen Namen. Musik schafft Brücken – und Rosandić ist ein Brückenbauer. In einem Lied fragt er: „Wie kalt sind eure Herzen?“ Mit seinen Songs möchte er ein kollektives Verantwortungsgefühl in Menschen erwecken, die das Glück hinter ihrem Geburtsort als Selbstverständlichkeit missverstehen.
Meistens trifft man Rosandić mit Tschick in der einen, Handy in der anderen Hand. Das Telefon klingelt ständig. Mal ist es der Bürgermeister der bosnischen Stadt Bihać, der sich für ein von der Stadt Wien gespendetes und von Rosandić organisiertes Müllsammelfahrzeug bedankt; mal ist es eine Studierende, die in ihrer Diplomarbeit über SOS Balkanroute schreibt; mal ist es sein Kumpan Baba Asim, der ihm Updates zu Hilfskonvois gibt. Die Arbeit für SOS Balkanroute frisst den Großteil seiner Zeit, seine Karriere als Rapper ist in den Hintergrund gerückt. Die ersten Jahre arbeitete Rosandić ehrenamtlich für die Organisation, er lebte von Ersparnissen und Überzeugung. Er fuhr mehrmals im Jahr an die EU-Außengrenzen, hatte keinen geregelten Alltag, keine freien Wochenenden. „Das war eine belastende Zeit, in der ich mich sehr verausgabt habe und an meine Grenzen kam.“

Er spricht aber eigentlich lieber über andere als über sich selbst, zum Beispiel über Frauen, die an der bosnischen Grenze helfen, über Aktivist*innen, die nicht aufgeben. Er sitzt mit Politiker*innen an Tischen, oft zähneknirschend, weil „in neun von zehn Fällen nichts passiert“, bleibt aber respektvoll – und mit Wiener Schmäh bewaffnet. Heute ist er Teilzeit bei SOS Balkanroute angestellt, kann so seine Fixkosten decken und Auszeiten einplanen. Pausen gehören zum Kampf für Gerechtigkeit, das weiß er, weil er nur knapp einem Burnout entkommen ist. Von seiner eigenen Zukunft träumt er selten – lieber von einer Zukunft, in der Geflüchtete nicht an den Grenzen Europas schikaniert und verprügelt werden. „Europa ist eine Festung, müsste aber ein sicherer Hafen sein“, so Rosandić.
Sein Whatsapp-Status beschreibt seine Person sehr gut. „Ajde komm“ lässt sich sowohl als Einladung auf Kaffee als auch als Reaktion auf eine Drohung interpretieren. Große Klappe, viel dahinter: Rosandić nennt sich in einem Interview „das Lieblingskind der österreichischen Rechten“. Das mag stimmen, aber er genießt auch viel Solidarität und Sympathie in zivilgesellschaftlichen Kreisen in Österreich, Deutschland und der deutschsprachigen Schweiz. Er hat ein breites Netzwerk an Unterstützerinnen: Amnesty International, Caritas, LeaveNoOneBehind, Volkshilfe, Omas gegen Rechts, Sea-Watch e.V., Diakonie, um nur ein paar zu nennen. Die Bezeichnung Brückenbauer ist deswegen so treffend für Rosandić, weil er Institutionen und Personen zusammenbringt, die ein gemeinsames Ziel haben: die Menschenrechte an den EU-Außengrenzen schützen. Prominente wie Autorin Toxische Pommes oder Erik Marquardt, Abgeordneter der deutschen Grünen im Europaparlament, unterstützen seine Benefizveranstaltung und Spendenaktionen. Sein Einsatz bleibt nicht unbemerkt: Er bzw. SOS Balkanroute wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem Weltmenschpreis, dem Ferdinand-Berger-Preis oder dem Ute-Bock-Preis. Die Anerkennung seiner Arbeit ist deswegen so wichtig, weil Rosandićs Biografie durch und durch politisch ist. Rosandićs Engagement zeigt, dass es eine Antwort auf die Frage „Was kann ich tun?“ gibt. Dass seine Laufbahn nicht nur gezeichnet ist von Krisen, Klagen und Konsequenzen, macht ihn zum Hoffnungsschimmer, während düstere Wolken über Europa ziehen und die einst so laut gepriesenen europäischen Werte zu ertrinken drohen, so wie Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken, weil sich die EU-Spitze kein Beispiel an Menschen wie Petar „Pero“ Rosandić
Alex Stanić ist freie Journalistin aus Wien