Imelda Cortez Palacios, 20 Jahre alt, lebte mit ihrer Familie in extremer Armut auf dem Land. Sie wurde seit ihrem 12. Lebensjahr von ihrem Stiefvater (70) regelmäßig sexuell missbraucht, vergewaltigt und schließlich von ihm schwanger (was eine DNA-Untersuchung bestätigte). Am 17. April 2017 gebar sie eine Tochter, zuhause auf der Latrine, wo das Baby dann auch unverletzt gefunden wurde. Erst nach der Geburt kam Imelda ins Krankenhaus, wo sie sofort unter dem Vorwurf des versuchten schweren Mordes an ihrem Neugeborenen verhaftet wurde. Seitdem ist sie in Haft und wartet auf ihr Verfahren.
Imelda wusste bis zum Schluss nicht, dass sie schwanger war. Ihr Stiefvater, der sie bedroht hatte, hatte ihr gesagt, dass er keine Kinder mehr bekommen könne. Darüber hinaus hatte sie während der neun Monate Vaginalblutungen, was sie glauben ließ, dass sie die Menstruation hatte. (Verweigerte Schwangerschaft ist ein medizinisch anerkanntes Krankheitsbild, bei dem sich die Frau länger als drei Monate ihrer Schwangerschaft nicht bewusst ist. Die meisten Frauen in dieser Situation werden nach einigen Monaten (sechs, sieben oder acht Monaten) auf ihren Zustand aufmerksam, wobei dann von einer unvollständigen, teilweisen Verleugnung gesprochen wird. In anderen Fällen bemerkt die Frau die Schwangerschaft erst ganz am Ende und dann findet eine vollständige, totale Negation statt.)
Imelda beteuerte von Anfang an ihre Unschuld. Dennoch geht die Staatsanwaltschaft von einem versuchten Tötungsdelikt aus. Erst nachdem die DNA-Untersuchung die Vaterschaft belegte, erließ die Staatsanwaltschaft am 22. März 2018 (11 Monate nach der Verhaftung von Imelda, der die Staatsanwaltschaft ihre Aussage nicht glaubte) einen Haftbefehl gegen den Stiefvater, der seitdem in Untersuchungshaft sitzt.
Die Anhörung vor dem Richter der ersten Instanz in Jiquilisco, bei der darüber entschieden wurde, ob ein Verfahren gegen Imelda eröffnet werden soll, wurde monatelang immer wieder mit fadenscheinigen Gründen verschoben. Obwohl die Verteidigung in der Anhörung vom 03.09.2018 plausibel darlegen konnte, dass es keinerlei Beweise dafür gibt, dass Imelda ihr Kind habe töten wollen, entschied der Richter – unter Missachtung der Unschuldsvermutung – auf Eröffnung des Verfahrens. Der Prozess wird voraussichtlich am 12. November 2018 stattfinden.
Medizinische Gutachten, die dem Gericht bei der Anhörung vorgelegt worden sind, belegen, dass Imelda eine natürliche Geburt in der 38. – 40. Schwangerschaftswoche hatte und dass es keine Hinweise darauf gibt, dass sie die Geburt absichtlich herbeigeführt hat. Außerdem stellte ein Kinderarzt fest, dass das Baby keinerlei Anzeichen aufweist, dass ihm jemand habe Schaden zufügen oder es ums Leben habe bringen wollen.
Imelda ist eine von zur Zeit 24 Frauen in Haft in El Salvador, die ein ähnliches Schicksal erlitten hatten. Viele von ihnen sind zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie eine Fehl- oder Totgeburt erlitten, die die Behörden als schweren Mord oder als Mordversuch angesehen haben. Die Frauen, die in der Regel ihre Rechte nicht kannten und sich auch keinen Rechtsanwalt leisten konnten, waren vor Gericht nicht in der Lage, sich angemessen zu verteidigen. Die Gerichte haben in der Regel die Unschuldsvermutung nicht anerkannt. Amnesty International hat in mehreren Fällen auf gravierende Verfahrensmängel hingewiesen.