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© Demonstration vor dem Nationalkongress in Santo Domingo für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbruch (6. Oktober 2020)/ ERIKA SANTELICES/AFP/Getty

news © Demonstration vor dem Nationalkongress in Santo Domingo für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbruch (6. Oktober 2020)/ ERIKA SANTELICES/AFP/Getty

Sexuelle und reproduktive Rechte schützen!

28. September 2021

Im Kongress der Dominikanischen Republik wird über eine Reform des Strafgesetzbuches debattiert. Der Vorentwurf kriminalisiert Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich und bietet keinen Schutz vor Folter, Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Die Reform soll vor Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden. Der Kongress muss eine menschenrechtskonforme Reform des Strafgesetzbuches vornehmen, die das Recht von Frauen, Mädchen und LGBTIQ+ auf Leben, Gesundheit, Autonomie und Würde achtet und schützt.

Setz dich ein!

Derzeit fordern Menschenrechtsaktivist*innen in der Dominikanischen Republik, dass die Reform des Strafgesetzbuches den Schutz der Rechte von LGBTIQ+ sowie die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in drei Fällen einschließt: wenn die Schwangerschaft eine Gefahr für das Leben der Schwangeren darstellt, wenn der Fötus außerhalb des Mutterleibs nicht überlebensfähig wäre und wenn die Schwangerschaft eine Folge von Vergewaltigung oder Inzest ist. Die aktuelle Gesetzgebung der Dominikanischen Republik verbietet Schwangerschaftsabbrüche unter allen Umständen. Dies stellt ein schwerwiegendes und dringendes Problem für die öffentliche Gesundheit dar und führt insbesondere unter Frauen und Schwangeren aus den schwächsten Bevölkerungsgruppen zu unnötigen Todesfällen.

In den vergangenen 25 Jahren haben mehr als 50 Länder ihre Gesetze angepasst, um Schwangeren einen besseren Zugang zu Abtreibungen zu ermöglichen. Diese Länder haben die entscheidende Rolle erkannt, die der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen für den Schutz von Leben und Gesundheit spielt. Solche Reformen werden sowohl durch Menschenrechtsnormen als auch von Expert*innen des öffentlichen Gesundheitswesens weitgehend unterstützt. Die Weltgesundheitsorganisation sowie bekannte medizinische Verbände befürworten die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen mit der Begründung, dass die Kriminalisierung nicht den beabsichtigten Effekt habe, die Zahl der Abbrüche zu reduzieren – sie führe lediglich dazu, dass Schwangere unsichere, illegale Abtreibungen vornehmen lassen, die ihr Leben und ihre Gesundheit gefährden.

Absolutes Abtreibungsverbot

Die Dominikanische Republik gehört zu den wenigen Ländern der Welt, die ein absolutes Abtreibungsverbot aufrechterhalten. Die aktuelle Debatte über die Reform des Strafgesetzbuches des Landes stellt eine historische Chance dar, diese Situation zu ändern und für Menschenrechte einzustehen.

Wenn die Dominikanische Republik zudem nicht sicherstellt, dass das Strafgesetzbuch Schutz vor Folter, Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität bietet, werden Ungleichheiten aufrechterhalten, die Diskriminierung und Stigmatisierung von LGBTIQ+-Personen fortgeführt und sie werden daran gehindert, eine ganze Reihe anderer Rechte wahrzunehmen.

Der Reformierungsprozess des Strafgesetzbuchs dauert bereits mehrere Jahre an. Nach aktuellem dominikanischem Recht droht Schwangeren, die sich einer Abtreibung unterziehen, ebenso strafrechtliche Verfolgung wie Personen, die an den Eingriffen beteiligt sind. Diese Regelung gilt ungeachtet der Umstände, unter denen der Schwangerschaftsabbruch angestrebt oder durchgeführt wurde. 2010 trat eine neue Verfassung in Kraft. Gemäß Artikel 37 dieser Verfassung gilt seither die Unantastbarkeit des Rechts auf Leben "von der Empfängnis bis zum Tod".

Im Jahr 2014 nahm der Kongress der Dominikanischen Republik einen Reformentwurf für das Strafgesetzbuch an, der die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in drei Fällen beinhaltete: wenn die Schwangerschaft eine Gefahr für das Leben der Schwangeren darstellt, wenn der Fötus außerhalb des Mutterleibes nicht überlebensfähig wäre und wenn die Schwangerschaft eine Folge von Vergewaltigung oder Inzest ist. Im Dezember 2015 wurde die vorgeschlagene Reform jedoch durch das Urteil 599-15 des Verfassungsgerichts verworfen. Dadurch blieb das alte Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1884 in Kraft. Im Juli 2017 lehnte der Kongress einen neuen Vorschlag zur Reform des Strafgesetzbuchs ab, der eine Entkriminalisierung der Abtreibung unter den drei Umständen nicht vorsah. Der amtierende Präsident Luis Abinader befürwortet die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen unter den drei beschriebenen Umständen und immer mehr Kongressabgeordnete unterstützen eine entsprechende Reform ebenfalls.

Langer Kampf um Entkriminalisierung

Trotzdem genehmigte die Abgeordnetenkammer des Kongresses am 30. Juni 2021 in letzter Minute eine Änderung am Entwurf des Strafgesetzbuches, die keine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen vorsieht. In dieser Änderung gab es auch kein Verbot von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder des Geschlechts. Auch wird Mord oder Folter aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht als erschwerender Umstand anerkannt. Durch diese Änderungen werden die Rechte von Frauen, Mädchen und LGBTIQ+ in der Dominikanischen Republik nicht geschützt. Die öffentliche Empörung über diese Änderungen führte zu Massenprotesten vor dem Nationalkongress.

Gemäß dem rechtlichen Verfahren der Dominikanischen Republik wurde der geänderte Entwurf des Strafgesetzbuchs an den Senat weitergeleitet, der ihn verabschieden sollte. Am 2. August hielt eine Sonderkommission des Senats eine virtuelle Sitzung ab, um die Verabschiedung des Strafgesetzbuches in seiner jetzigen Fassung zu beschleunigen. Sieben der neun Mitglieder der Sonderkommission stimmten der aktuellen Fassung des Strafgesetzbuches zu und die endgültige Fassung sollte dem Senat am 10. August vorgelegt werden (der letzte mögliche Termin für die Verabschiedung vor Ende der Sitzungsperiode). Aufgrund der Abwesenheit von 19 Senator*innen war der Senat allerdings nicht beschlussfähig. Die Sonderkommission konnte den von ihr angenommenen Entwurf des Strafgesetzbuchs nicht vorlegen, wodurch der Entwurf "verfiel", da er nicht innerhalb der festgelegten Frist diskutiert wurde. 

Mit Beginn der neuen Legislaturperiode wurde der Vorentwurf des Strafgesetzbuches wieder eingebracht. Er wird nun von einem Ausschuss der beiden Kammern mit dem Ziel beraten, die Reform noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.