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© Teodora Vásquez kam nach fast zehn Jahren Haft 2018 endlich frei. / Edgar Romero/ Amnesty International

news © Teodora Vásquez kam nach fast zehn Jahren Haft 2018 endlich frei. / Edgar Romero/ Amnesty International

El Salvador: Nach Totgeburten als Mörderinnen verurteilt

22. Februar 2022

Laut Gesetz muss in El Salvador jede Schwangerschaft ausgetragen werden, auch wenn diese das Leben der Frau gefährdet. Nach Tot- oder Fehlgeburten wurden Frauen wegen Mordes zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt.

Amnesty International unterstützt seit vielen Jahren den Kampf für die Rechte von Frauen in El Salvador. Die Abtreibungsgesetze sind so streng, dass Schwangerschaftsabbruch mit bis zu achtjährigen Haftstrafen und Fehl- bzw. Totgeburten als Kindsmord interpretiert und mit bis zu 50 Jahren Haft bestraft werden können. Frauen und Kinder, die in Folge einer Vergewaltigung schwanger werden, sind nicht von diesen Gesetzen ausgenommen. Laut Gesetzgebung muss jede Schwangerschaft ausgetragen werden, auch wenn die körperlichen und psychischen Folgen verheerend sind.
Der Fall Beatriz zeigt, was diese Gesetze für die betroffenen Menschen bedeuten. 2013 wurde bei einer Untersuchung im Krankenhaus festgestellt, dass ihr Kind ohne Gehirn niemals überlebensfähig und eine Fortsetzung der Schwangerschaft für Beatriz lebensgefährlich wäre. Es gab für sie trotzdem keine legale Möglichkeit, diese Schwangerschaft frühzeitig zu beenden.
Beatriz hat mit Unterstützung des Colectiva Feminista beim Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof Klage gegen den Staat El Salvador eingereicht. Am 11. Jänner 2022 wurde entschieden, den Fall Beatriz an den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (IACHR) weiterzuleiten, um ihn zu prüfen. Beatriz überlebte nur knapp.

Nach Frühgeburt zu 30 Jahren Haft verurteilt

Erst Ende letzten Jahres hat der IACHR bereits in dem Fall Manuela entschieden, dass sie unschuldig war. Nach einer Frühgeburt wurde sie bereits im Krankenhaus ans Bett gefesselt, unzureichend medizinisch versorgt und ohne angemessenen Rechtsbeistand zu 30 Jahren Haft wegen schweren Mordes verurteilt.
Das Urteil des IACHR verpflichtet beklagte Staaten dazu, den Entscheidungen nachzukommen. Es sollen Maßnahmen ergriffen werden, damit sich Erfahrungen wie die von Manuela nicht wiederholen. Außerdem schaffen die Urteile des Gerichtshofs verbindliche Standards für alle Staaten, die die Amerikanische Menschenrechtskonvention ratifiziert haben.
Amnesty International setzt sich für die Freilassung von inhaftierten Frauen ein und fordert eine Reform der bestehenden Gesetze zu Schwangerschaftsabbruch. Aktuell müssen Ärzt*innen und das Gesundheitspersonal gegen ihre Schweigepflicht verstoßen und jeden Verdacht auf eine Abtreibung der Polizei melden, ansonsten drohen ihnen Haftstrafen. Betroffene Frauen werden häufig nur durch Pflichtverteidiger*innen vertreten und erhalten hohe Haftstrafen, die sie in überbelegten Gefängnissen verbringen müssen. Diese Gesetzgebung verstößt gegen mehrere Menschenrechte und kriminalisiert die sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung.
Gerechtigkeit mussten die betroffenen Frauen mühsam und nach jahrelanger Haft erkämpfen.

Hier einige Schicksale:
17. Januar 2022: Kenia wird nach neun Jahren Haft entlassen. Sie war nach einer Vergewaltigung schwanger und erlitt mit 18 Jahren eine Fehlgeburt. Statt sie medizinisch zu versorgen, wurde sie auf der Stelle verhaftet und dann wegen Kindsmord zu 30 Jahren Haft verurteilt.
Juni 2021: Marina wird nach 14 Jahren Haft entlassen. Im Mai 2007 erlitt sie eine Totgeburt und wurde zu 35 Jahren Haft verurteilt.
Mai 2021: Sara Rogel wird frühzeitig aus der Haft entlassen. Neun Jahre war sie wegen schweren Mordes im Gefängnis, weil sie beim Wäschewaschen ausrutschte und daraufhin eine Fehlgeburt erlitt. Sie wäre zu 30 Jahren Haft verurteilt gewesen.
Dezember 2021: Karen, Kathy und Evelyn werden von der Anklage des schweren Totschlags freigesprochen. Sie waren zu Haftstrafen von bis zu 30 Jahren verurteilt worden.
März 2019: María del Tránsito Orellana Martínez, Cinthia Marcela Rodríguez Ayala und Alba Lorena Rodríguez Santos wurden entlassen. Sie wurden 2009 bzw. 2010 zu jeweils bis zu 30 Jahren Haft verurteilt – ohne klare Beweise und ohne angemessenen anwaltlichen Beistand.
Februar 2018: Teodora del Carmen Vásquez wird aus der neunjährigen Haft entlassen. Sie war zu 30 Jahren Haft verurteilt worden, weil man ihr einen heimlichen Schwangerschaftsabbruch nach einer Totgeburt vorwarf. Für ihr Engagement für Frauenrechte wurde sie im Herbst 2018 mit dem Per-Anger-Preis ausgezeichnet.
Dezember 2018: Imelda Cortez wird nach einem Jahr Haft entlassen. Ihr Stiefvater hatte sie jahrelang missbraucht, vergewaltigt und geschwängert. Das Baby kam gesund zur Welt, trotzdem wurde sie im Krankenhaus wegen versuchten schweren Mordes des Neugeborenen verhaftet.
Mai 2016: Nach viereinhalb Jahren Haft wird María Teresa Rivera in einem Berufungsverfahren freigesprochen. Sie hatte eine Fehlgeburt erlitten und wurde zu 40 Jahren Haft verurteilt – ohne Beweise in einem unfairen Gerichtsverfahren. Sie flüchtete mit ihrem Sohn nach Schweden. Im März 2017 wird ihr als erster Frau überhaupt politisches Asyl wegen Verletzung ihrer reproduktiven Rechte zuerkannt.
2014: Guadalupe Vásquez wird nach sieben Jahren Haft entlassen. Mit 17 Jahren wurde Guadalupe vergewaltigt und dadurch schwanger. Nach einer Fehlgeburt verurteilt sie ein Gericht wegen angeblicher Tötung ihres Kindes zu 30 Jahren Haft. Und das, obwohl die Autopsie keinerlei Gewalteinwirkung feststellt und die Todesursache des Fötus ungeklärt bleibt.
Noch immer sind mehr als zehn Frauen in Haft, weil sie nach Fehl- oder Totgeburten des Kindsmords beschuldigt und zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

Setz dich ein! Musterbrief & Adresse

Schreiben an

An den Präsidenten der Republik El Salvador

S.E. Nayib Bukele

c/o Botschaft der Republik El Salvador

Prinz Eugen Strasse 72/2/1

1040 Wien

E-Mail an

fvilanova@rree.gob.sv

 

Briefvorschlag spanisch:

Excmo. Señor Presidente Bukele,

El 8 de marzo es el Día Internacional de la Mujer y me gustaría aprovechar esta oportunidad para llamar su atención sobre el destino de las mujeres inocentes de El Salvador que están actualmente encarceladas. En la actualidad hay 10 mujeres en las cárceles salvadoreñas que han sido condenadas a décadas de prisión por infanticidio, a pesar de haber sufrido una emergencia obstrética. Otras cuatro han sido acusadas, dos de las cuales se encuentran detenidas.

Esta situación me llena de desconcierto, porque las mujeres embarazadas requieren protección especial, sobre todo cuando sufren emergencias médicas. Todas ellas son mujeres que viven en situaciones de pobreza, tienen acceso limitado a formación y no han sido representadas adecuadamente ante los tribunales por abogadxs. La pandemia del Covid-19 agrava todavía más su situación de detención porque en la prisión se ven expuestas a un alto riesgo adicional de infección.

Por lo tanto, le insto a que libere urgentemente a todas estas mujeres por motivos humanitarios, ya que nunca deberían haber sido ni encarceladas ni condenadas.

Muy atentamente

Briefvorschlag deutsch

Sehr geehrter Präsident,

ich möchte Sie auf das Schicksal von unschuldigen Frauen in El Salvador aufmerksam machen, die gegenwärtig inhaftiert sind. Insgesamt sind mehr als 10 Frauen im Gefängnis, die wegen Kindsmord zu jahrzehntelangen Strafen verurteilt wurden, obwohl sie eine Fehl- oder Totgeburt erlitten hatten. Vier weitere Frauen sind angeklagt, zwei davon in Haft.

Das macht mich fassungslos, denn schwangere Frauen bedürfen des besonderen Schutzes, insbesondere in einer medizinischen Notlage. Alle Betroffenen sind Frauen, die aus armen Verhältnissen kommen, wenig Zugang zu Bildung hatten und sich nicht mit Hilfe eines Rechtsbeistandes angemessen vor Gericht vertreten lassen konnten. Die Covid-19-Pandemie verschlimmert ihre Situation, weil sie sich in Haft zusätzlich einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sehen.

Auf Grund dieser Umstände bitten wir Sie dringend, diese Frauen aus humanitären Gründen freizulassen, denn sie hätten niemals inhaftiert und verurteilt werden dürfen.

Mit freundlichen Grüßen