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China: Zhang Zhan muss medizinisch versorgt werden

4. März 2022

Am 28. Januar 2022 konnte die inhaftierte Journalistin Zhang Zhan in einem 20-minütigen Videoanruf mit ihrer Mutter sprechen. Während des Anrufs erwähnte Zhang Zhan, dass sie ihren eingeschränkten Hungerstreik beendet hat, damit die von den Behörden angeordnete Zwangsernährung aufhört. Nach Einschätzung ihrer Mutter hat sich ihr Gesundheitszustand potentiell leicht verbessert. Dennoch ist weiterhin nicht klar, ob Zhang Zhan, die 2021 für ein paar Monate lebensbedrohlich erkrankt war, Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung erhält. Dazu würde auch eine umfassende medizinische Untersuchung durch eine entsprechende Fachkraft zählen.

 

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Sachlage

Es sind gute Neuigkeiten, dass Zhang Zhan am 28. Januar über einen Videoanruf mit ihrer Mutter sprechen konnte. Diese sagte, ihrer Einschätzung nach habe sich der Gesundheitszustand ihrer Tochter potentiell leicht verbessert. Doch während der letzten Monate befand sich Zhang Zhan in einem kritischem Zustand. Deshalb muss ihr der Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung gewährt werden. Dazu zählt auch eine umfassende medizinische Untersuchung durch eine entsprechende Fachkraft. Bereits am 15. November 2021 hatten ihre Familienangehörigen aufgrund des schlechten Gesundheitszustands von Zhang Zhan einen Antrag auf Freilassung aus medizinischen Gründen eingereicht, doch die Antwort des Frauengefängnisses von Shanghai steht bis heute aus. Sollte ein Arztbericht zeigen, dass Zhang Zhans Gesundheitszustand den Kriterien für eine Freilassung aus medizinischen Gründen entspricht, sind die Behörden gezwungen, diesem Antrag stattzugeben, bevor sich ihr Gesundheitszustand wieder verschlechtert.

In dem Videoanruf erzählte Zhang Zhan außerdem, dass sie ihren eingeschränkten Hungerstreik beendet hätte, um ihre Zwangsernährung durch die Gefängnisbehörden zu stoppen. Seit sie im Juni 2020 ihren Hungerstreik als Protestmaßnahme gegen ihre Inhaftierung begonnen hatte, ist sie in Haft zwangsernährt worden.

Weiterhin bleibt unklar, ob Zhang Zhan in Zukunft regelmäßigen Zugang zu ihren Familienangehörigen und dem Rechtsbeistand ihrer Wahl haben wird. Laut den "Regeln der Shanghaier Gefängnisverwaltung für die Kommunikation mit Häftlingen" (上海市监狱管理局罪犯会见通信实施细则) ist es jedem Häftling pro Monat einmal erlaubt, für mindestens 20 Minuten Familienangehörige zu treffen. Es ist wichtig für Zhang Zhans Angehörige und ihren Rechtsbeistand, sie persönlich besuchen oder zumindest über einen Videoanruf sehen zu können, um mit ihr zu sprechen und sich so ein Bild von ihrem Befinden zu machen.

Die Bürgerjournalistin Zhang Zhan (张展) sitzt momentan eine vierjährige Gefängnisstrafe im Frauengefängnis von Shanghai ab. Ihr wird vorgeworfen, "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben" (寻衅滋事罪). Sie ist eine gewaltlose politische Gefangene, die lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurde, weil sie über die durch das Coronavirus ausgelöste Krankheit Covid-19 berichtet hatte. Zhang Zhan muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

 

Hintergrundinformation

Die ehemalige Anwältin Zhang Zhan ist eine Bürgerjournalistin und äußert sich zu politischen und menschenrechtlichen Belangen in China. Im Februar 2020 reiste sie nach Wuhan, damals das Zentrum des Covid-19-Ausbruchs in China. Sie berichtete auf Online-Plattformen wie WeChat, Twitter und YouTube über die Inhaftierung unabhängiger Reporter*innen und die Schikane gegen Familienangehörige von Betroffenen. Zhang Zhan verschwand am 14. Mai 2020 in Wuhan. Später wurde bekannt, dass sie mehr als 640 km entfernt bei der Polizei in Shanghai inhaftiert war.

Zhang Zhan durfte am 14. Oktober 2021 vier Minuten und neun Sekunden lang ein Videotelefonat mit ihrer Familie führen, bevor das Gespräch von den Behörden unterbrochen wurde. Die vorgesehene Gesprächsdauer beträgt fünf Minuten. Ihre Angehörigen berichteten, dass sie massiv abgenommen habe, aber weiterhin entschlossen sei, den Teil-Hungerstreik fortzuführen. Am 29. Oktober konnte Zhang Zhan erneut per Videoanruf mit ihrer Familie sprechen. Anschließend hieß es, dass sich ihr Zustand weiter verschlechtert habe. Sie fühlte sich sehr schwach und hatte weder die Kraft zu gehen noch den Kopf zu heben. Außerdem war ihre Haut gelblich verfärbt, was auf einen lebensbedrohlichen Zustand hindeutet.

Da ihre Familienangehörigen in großer Sorge um Zhang Zhan waren, haben sie am 15. November 2021 einen Antrag auf Freilassung aus medizinischen Gründen eingereicht, doch die Antwort des Frauengefängnisses von Shanghai steht noch aus. Der Antrag wurde gemäß den Kriterien gestellt, die in der Bekanntmachung des Obersten Volksgerichts, der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, des Ministeriums für öffentliche Sicherheit und anderen Ministerien zu den Bestimmungen über eine vorübergehende Verbüßung von Haftstrafen außerhalb von Gefängnissen (最高人民法院、最高人民检察院、公安部等关于印发《暂予监外执行规定》的通知) festgelegt sind. Diesen Bestimmungen zufolge können Gefangene ihre Freilassung aus medizinischen Gründen beantragen, wenn sie sich in einem kritischen Gesundheitszustand befinden.

Seitdem der kritische Gesundheitszustand von Zhang Zhan bekannt wurde, haben sich viele Organisationen und Staaten für sie eingesetzt und die chinesischen Behörden dazu aufgefordert, die Journalistin freizulassen. Dazu gehören auch die EU und die USA. Amnesty International veröffentlichte im September 2021 gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen eine Erklärung, in der die beiden Organisationen ihre Forderung an China, Zhang Zhan freizulassen, bekräftigten. Der Fall von Zhang Zhan war Teil des Briefmarathons 2021 und der "Free the Five"-Kampagne.

Zhang Zhan trat im Juni 2020 in den Hungerstreik, um gegen ihre Inhaftierung zu protestieren und ihre Unschuld zu beteuern. Obwohl sie die Absicht hatte, den Hungerstreik fortzusetzen, sollen Gefängnisbeamt*innen ihr gegen ihren Willen über einen Schlauch Nahrung verabreicht haben. An der Zwangsernährung sollen auch ihre Mithäftlinge beteiligt gewesen sein. Ihr Rechtsbeistand berichtete bereits damals, dass sie körperlich sehr schwach sei, an Magenschmerzen und Schwindel leide und kaum gehen könne. Zhang Zhan musste Berichten zufolge als Strafe für ihren Hungerstreik mehr als drei Monate lang Tag und Nacht Hand- und Fußfesseln tragen.

Bürgerjournalist*innen waren die erste, wenn nicht gar einzige, Quelle für unzensierte Informationen aus erster Hand zum Covid-19-Ausbruch in China. Es gibt nicht viele Bürgerjournalist*innen, da sie keine offizielle Akkreditierung erhalten können, diese aber benötigt wird, um berichten zu dürfen. Bürgerjournalist*innen sind in China ständigen Schikanen und Repressionen ausgesetzt, weil sie Nachrichten und Informationen verbreiten, die von der Regierung zensiert worden sind.

Es liegen zahlreiche Berichte darüber vor, dass unabhängige Journalist*innen und Aktivist*innen von den Behörden drangsaliert wurden, weil sie in den Sozialen Medien Informationen über Covid-19 gepostet hatten. Hierzu zählt auch der Rechtsanwalt und Bürgerjournalist Chen Qiushi, der über behördliche Schikane berichtete, nachdem er Aufnahmen aus Krankenhäusern in Wuhan ins Internet gestellt hatte. Ebenso Fang Bin aus Wuhan, der kurzzeitig von den Behörden festgehalten wurde, nachdem er ein Video geteilt hatte, in dem Personen zu sehen sind, die mutmaßlich an Covid-19 gestorben sind.

Die Straftat "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben" (寻衅滋事罪) unter Paragraf 293 des chinesischen Strafrechts ist ein weit gefasster und vage formulierter Straftatbestand, der häufig eingesetzt wird, um gegen Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger*innen vorzugehen. Dieser Straftatbestand fand ursprünglich nur Anwendung bei Störungen der öffentlichen Ordnung auf öffentlichen Plätzen, seit 2013 fallen darunter aber auch digitale Räume. Bei einem Schuldspruch drohen den Verurteilten bis zu fünf Jahre Haft.

 

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