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Afghanistan: Frauen und Mädchen in höchster Gefahr

2. September 2021

Die afghanische Regierung ist zusammengebrochen, die Taliban haben die Macht übernommen. Dies bedeutet einen enormen Rückschritt für die mehr als 19 Millionen Mädchen und Frauen in Afghanistan. Ihnen droht völlige Rechtlosigkeit.

Seit dem Fall des letzten Taliban-Regimes im Jahr 2001 hat es im Bereich der Frauenrechte und Geschlechtergleichheit wichtige Erfolge gegeben. So wurde ein Ministerium für Frauenrechte eingerichtet, die neue Verfassung räumte den Frauen die gleichen Rechte ein wie Männern, Frauen bekamen einen verbesserten Zugang zu Bildung und Gesundheitseinrichtungen und Frauen wurden bzw. waren im Parlament vertreten. Frauen konnten endlich am öffentlichen Leben teilhaben. Bis vor kurzem waren noch 3,5 Millionen Mädchen in der Schule. Tausende Frauen waren in der Bildung als Direktorinnen, Lehrerinnen und Bürokräfte beschäftigt. Viele studierten. Trotzdem sind zwei Millionen Mädchen noch nicht zur Schule gegangen weil es zu wenige Einrichtungen und Lehrkräfte gab. Bis 2019 hatten aber über 1000 Frauen ein eigenes Unternehmen eröffnet.

Frauen in Afghanistan hatten es auch in den letzten zwanzig Jahre alles andere als leicht. Obwohl noch viel zu tun war, hatten sich die Rechte der Frauen seit 2001 deutlich verbessert. All dies ist jetzt ernsthaft gefährdet. Mit einem Schlag droht nun der Wegfall dieser Errungenschaften und Frauen und Mädchen sind wieder systematischer Unterdrückung, Gewalt und massiver Diskriminierung ausgesetzt.

Kämpferinnen für Frauenrechte besonders bedroht. Amnesty erhält immer wieder dramatische Berichte von der Situation vor Ort. Vor allem jene Menschen, die sich öffentlich für Menschen- und Frauenrechte einsetzen sind nun akut gefährdet. Vor allem Frauen, die sich mutig für Fortschritte in Afghanistan eingesetzt haben, müssen jetzt um ihr Leben und das ihrer Familien bangen. Aus Taliban-Gebieten erfuhren wir, dass Mädchen verschleppt, zwangsverheiratet und von Soldaten vergewaltigt wurden.

Es gibt ständig Meldungen von der systematischen Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen. In Kabul werden Werbungen von Frauenbildern übermalt, eine Bürgermeisterin postete auf Twitter, dass sie bereits auf ihre Ermordung wartet. Schreckliche Bilder zeigen sich tagtäglich und geben uns nur einen kleinen Einblick welche Grausamkeiten zu erwarten sind.

Beteuerungen der Taliban überzeugen nicht. Während die Taliban behaupten, ihre Ansichten über Frauen gemildert zu haben, gibt es alarmierende Berichte über erneute Beschränkungen für Frauen und Mädchen. Wir befürchten, dass Frauen und Mädchen wieder mit massiven Einschränkungen rechnen müssen.

Eine Rückkehr zu einem Afghanistan, in dem Frauen und Mädchen aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen sind, ist sehr wahrscheinlich. Vor allem das Leben von exponierten Frauenrechtsaktivistinnen ist in akuter Gefahr.

Die Bilanz von Menschenrechtsverletzungen während der Herrschaft der Taliban von 1996 bis 2001 ist erschreckend – es gibt unzählige Berichte über Gräueltaten der Taliban von öffentlichen Hinrichtungen, Steinigungen, Auspeitschungen und Amputationen. Die Rechte von Mädchen und Frauen wurden massiv eingeschränkt. Sie konnten keine Schule besuchen, keinen Beruf ausüben und sind praktisch aus der Öffentlichkeit verbannt worden.

Rechte mit Füßen getreten. Auch zeigten die Taliban kaum Respekt für das Recht auf Leben und auf Freiheit von Folter und anderen Misshandlungen. Sie verletzten systematisch das Kriegsrecht, indem sie Zivilist*innen, Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen und zivile Einrichtungen wie Schulen – insbesondere Mädchenschulen – angriffen.

Wir gehen davon aus, dass sich mit der erneuten Machtübernahme der Taliban die Schreckensherrschaft von damals wiederholen wird. Unter der neuerlichen Herrschaft der Taliban sind Mädchen und Frauen höchst gefährdet - ihre Rechte auf Freiheit, Bildung und Gesundheit werden mit Füßen getreten.

Das fordert Amnesty International

Während sich die Menschen, und speziell Frauen, in Afghanistan mit dieser neuen grausamen Realität konfrontiert sehen, muss der UN-Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in einer Dringlichkeitsresolution die Taliban – die das Land nun faktisch kontrollieren – auffordern, die internationalen Menschenrechtsnormen zu achten, die Zivilbevölkerung zu schützen und Vergeltungsangriffe einzustellen, während die Verhandlungen über Übergangsregelungen fortgesetzt werden.

Wir gehen davon aus, dass Frauen, die sich für Frauenrechte und Menschenrechte allgemein eingesetzt haben, in Lebensgefahr sind – diese müssen sofort evakuiert werden. Vor allem Frauen in exponierten Positionen wie Journalistinnen, Bürgermeisterinnen, Aktivistinnen etc. müssen um ihr Leben bangen. Hier fordern wir von der österreichischen Regierung – in Koordination mit allen EU-Ländern – schnelle und unbürokratische Möglichkeiten, aus Afghanistan rauszukommen. Sie und ihre Familien sollten schnell aufgenommen werden.

Was Österreich tun muss

Anstatt über Abschiebungen zu diskutieren, muss die österreichische Bundesregierung nun endlich alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die sichere Ausreise aus Afghanistan für alle Personen zu gewährleisten, die Gefahr laufen, ins Visier der Taliban zu geraten. Zu diesen Maßnahmen zählen die Aussetzung aller Abschiebungen und Zwangsrückführungen die Beschleunigung der Visaerteilung, die Unterstützung bei der Evakuierung vom Flughafen Kabul sowie Relocation- und Resettlement-Maßnahmen. Dies bedeutet, dass Österreich besonders bedrohte Menschen aus Afghanistan aufnehmen und ihnen Schutz gewähren muss. Außerdem müssen bereits laufende Asylverfahren und Familienzusammenführungen umgehend abgeschlossen werden.

Die österreichische Regierung muss jetzt handeln und Leben retten!

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