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Esraa Abdelfattah muss freigelassen werden

Setz dich ein!

Ägypten: Esraa Abdelfattah als Terroristin angeklagt

22. September 2020

Am 30. August 2020 wurde die rechtswidrig inhaftierte Journalistin und Menschenrechtsverteidigerin Esraa Abdelfattah im Rahmen eines kürzlich eröffneten Verfahrens (Nr. 855/2020) vor die Anklagebehörde der ägyptischen Staatssicherheit gebracht, um zu den Vorwürfen der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" vernommen zu werden.

Setz dich ein!

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, Esraa Abdelfattah umgehend und bedingungslos freizulassen und alle Anklagen gegen sie fallenzulassen. Stellen Sie zudem sicher, dass sie bis zu ihrer Freilassung regelmäßig Zugang zu ihrem Rechtsbeistand und ihrer Familie hat.
  • Bitte lassen Sie zudem alle Personen frei, die sich lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung in Haft befinden, und ergreifen Sie Maßnahmen, um die Gesundheit aller Gefangenen angesichts der COVID-19-Pandemie zu schützen.
  • Sorgen Sie dafür, dass die Anschuldigungen von Esraa Abdelfattah, sie sei gefoltert und anderweitig misshandelt worden, unabhängig und gründlich untersucht werden und alle, die dafür als strafrechtlich verantwortlich gelten, in fairen Verfahren vor regulären Zivilgerichten und ohne Rückgriff auf die Todesstrafe vor Gericht gestellt werden.

Sachlage

Die Journalistin und Menschenrechtsverteidigerin Esraa Abdelfattah ist nach wie vor willkürlich inhaftiert. Amnesty International ist der Ansicht, dass sie eine gewaltlose politische Gefangener ist, die sich nur aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigung und Beteiligung an öffentlichen Angelegenheiten in Haft befindet.

Esraa Abdelfattah wurde am 12. Oktober 2019 durch Sicherheitskräfte in Zivil auf der Straße entführt und acht Stunden lang in einer geheimen Hafteinrichtung der Nationalen Sicherheitsbehörde NSA, einer Sondereinheit der Polizei, festgehalten und ihren Angaben zufolge gefoltert. Am nächsten Tag wurde sie der Anklagebehörde der Staatssicherheit überstellt, einem Sonderzweig der Staatsanwaltschaft, der für die Untersuchung von Sicherheitsbedrohungen zuständig ist. Dieser ordnete ihre Inhaftierung im Zusammenhang mit Fall Nr. 488/2019, für die Zeit der Ermittlungen zu unbegründeten Anschuldigungen der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung", der "Verbreitung von Falschmeldungen" und des "Missbrauchs sozialer Medien" an. Die Anklagebehörde vernahm Esraa Abdelfattah zu ihrem bisherigen politischen Aktivismus. Seither wurde ihre Untersuchungshaft vom Strafgericht Kairo mehrfach erneuert, zuletzt am 24. August um weitere 45 Tage.

Am 30. August 2020 wurde sie vor die Anklagebehörde gebracht, um im Rahmen von Ermittlungen in einem neuen Fall (Nr. 855/2020) verhört zu werden. Zu dem Fall gehören Aktivist*innen wie Mahienour el-Masry, die Journalistin Solafa Magdy und der Menschenrechtsanwalt Mohamed el-Baqer. Esraa Abdelfattah wurde der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" und der "Beteiligung an einer kriminellen Vereinbarung zur Begehung einer terroristischen Straftat aus dem Gefängnis heraus" beschuldigt. Wie ihr Rechtsbeistand Amnesty International mitteilte, wird Esraa Abdelfattah von der Anklagebehörde der Staatssicherheit beschuldigt, mit Personen außerhalb des Gefängnisses kommuniziert zu haben, mit dem Ziel, Gerüchte und Falschmeldungen zu verbreiten. Die Gelegenheit dazu habe sie gehabt, während sie sich zum Sport im Gefängnishof aufhielt sowie während der Gerichtsverhandlungen und Termine vor Ort im Büro der Anklagebehörde. Esraa Abdelfattah wies die Anschuldigungen als unbegründet zurück, da sie vom 10. März bis 22. August 2020, der Zeit, in der Gefängnisbesuche im Rahmen der COVID-19-Maßnahmen durch die Behörden untersagt waren, keinen Kontakt zur Außenwelt gehabt habe. Nach ihrer Vernehmung ordnete die Anklagebehörde der Staatssicherheit eine 15-tägige Untersuchungshaft an.

Hintergrundinfo

Am Abend des 12. Oktober 2019 wurde Esraa Abdelfattah aus ihrem Auto entführt und in eine geheime Hafteinrichtung der Nationalen Sicherheitsbehörde NSA gebracht. Der Kontakt zu ihrer Familie und ihren Rechtsbeiständen wurde ihr verwehrt. Wie Esraa Abdelfattah berichtete, drohte ein NSA-Beamter damit, sie zu foltern, als sie sich weigerte, ihm Zugang zu ihrem Mobiltelefon zu geben. Daraufhin betraten mehrere Männer den Raum, in dem sie festgehalten wurde, und verpassten ihr Schläge ins Gesicht und auf den Körper. Dann kehrte der NSA-Beamte zurück und forderte sie erneut auf, ihr Telefon freizuschalten. Als sie sich weiter weigerte, zog der Beamte ihr das Sweatshirt aus und wickelte es ihr um Hals. Er drohte ihr, sie zu erwürgen, sollte sie ihr Telefon nicht freischalten, woraufhin sie ihm das Passwort verriet. Der Beamte legt ihr Hand- und Fußschellen an, so dass sie nicht mehr sitzen oder knien konnte und zwang sie so, fast acht Stunden lang zu stehen. Ein anderer Beamter drohte ihr mit weiterer Folter, sollte sie der Anklagebehörden von dem Geschehen berichten. Am nächsten Tag schilderte sie der Anklagebehörde der Staatssicherheit, was sie durchgemacht hatte, aber ihre Beschwerde wurde abgelehnt und es wurden keine Ermittlungen eingeleitet. Kurz nach ihrer Festnahme trat Esraa Abdelfattah in den Hungerstreik, um gegen ihre Inhaftierung und ihre Behandlung zu protestieren. Am 22. November 2019 setzte sie den Hungerstreik wegen ihres sich verschlechternden Gesundheitszustands aus.

An dem ersten gegen Esraa Abdelfattah eingeleiteten Verfahren (Nr. 488/2019) sind der Menschenrechtsverteidiger und Rechtsanwalt Mahienour el-Masry, der Politiker Khalid Dawoud und der Professor und Politikwissenschaftler Hassan Nefea beteiligt. Bis heute hat die Anklagebehörde der Staatsicherheit noch keine Beweise gegen Esraa Abdelfattah vorgelegt, abgesehen von einer Ermittlungsakte der NSA, die weder sie noch ihre Rechtsbeistände bisher einsehen konnten.

Am 10. März 2020 setzten die ägyptischen Behörden unter Berufung auf COVID-19 alle Gefängnisbesuche aus. Am 15. August 2020 kündigte das Innenministerium unter bestimmten Auflagen die Wiederaufnahme der Gefängnisbesuche zum 22. August an.

Am 24. August wurde der Schwester von Esraa Abdelfattah erlaubt, sie zu besuchen. Sie erfuhr, dass Esraa Abdelfattah am 23. August mit einer Blutung in das Gefängniskrankenhaus von Al Qanater gebracht wurde. Esraah Abdelfattah berichtete ihrer Schwester, dass sie auch an Blutdruckschwankungen und Atembeschwerden leidet, die eine Sauerstofftherapie im Gefängniskrankenhaus notwendig machen.

Esraa Abdelfattah war eine der ersten Menschenrechtsverteidiger*innen in Ägypten, die im Zusammenhang mit der ausländischen Finanzierung von NGOs, bekannt als "Fall 173", mit einem Reiseverbot belegt wurden. Die Behörden hinderten sie am 13. Januar 2015 am internationalen Flughafen Kairo daran, ein Flugzeug zu besteigen. Seitdem wurden mindestens 30 weitere Menschenrechtsverteidiger*innen und NGO-Mitarbeiter*innen im Zusammenhang mit "Fall 173" mit einem Reiseverbot belegt.

Esraa Abdelfattah gehört zu mehreren bekannten Menschenrechtsverteidiger*innen, die im Zusammenhang mit seltenen regierungsfeindlichen Protesten am 20. September 2019 festgenommen wurden.

 

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Diese Urgent Action läuft bis 17.11.2020