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© Das Lager Moira in Lesbos © Giorgos Moutafis/Amnesty International

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Schweiz: Uno setzt Ausweisung syrischer Flüchtlingsfamilie aus

14. Juni 2018

Die UNO hat die Ausweisung einer im Tessin lebenden syrischen Familie nach Griechenland vorerst gestoppt. Ihr Asylantrag war vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt worden, der Uno-Ausschuss für die Rechte des Kindes verlangt nun aber, dass die Schweizer Asylbehörden Vorwürfe der Verletzung der Internationalen Kinderrechtskonvention beantworten müssen.

Ende März lehnte das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) den Asylantrag einer kurdisch-jesidischen Familie aus dem syrischen Afrin, die über Griechenland in die Schweiz eingereist war, endgültig ab. Dieses Urteil berücksichtigte nicht die schlechte psychische Verfassung des Vaters und der beiden jüngsten Kinder. Zwar anerkannte das BVGer die sehr schwierigen Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Griechenland. Der Familie wurde aber lediglich geraten, sich bei den griechischen Behörden und privaten Organisationen um Hilfe zu bemühen und sich gegebenenfalls an die griechischen und internationalen Gerichte zu wenden, um ihre Rechte geltend zu machen.

Verletzung der UN-Kinderrechtskonvention. Mit Unterstützung von Amnesty International Schweiz und der Rechtshilfe der Anwälte Immacolata Iglio Rezzonico und Paolo Bernasconi hat die Familie ihren Fall dem Uno-Ausschuss für die Rechte des Kindes vorgelegt und auf die Verletzung mehrerer Artikel der Internationalen Kinderechtskonvention durch die Schweizer Asylbehörden hingewiesen. Die Rückkehr nach Griechenland, einem Land dessen wirtschaftliche Probleme wohlbekannt sind, würde unmittelbar und ernsthaft das Recht auf Gesundheit und Bildung der minderjährigen Kinder der Familie verletzen, sowie sie der Gefahr wirtschaftlicher Ausbeutung und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aussetzen.

Die Untersuchungen von Amnesty International zeigen, dass anerkannte Flüchtlinge in Griechenland erst nach zehn Jahren im Land Zugang zu staatlicher Unterstützung erhalten. Das Recht auf Unterkunft ist nicht gewährleistet; viele Flüchtlinge sind gezwungen, in öffentlichen Parks oder in verlassenen Häusern zu leben, wo sie ständig der Gefahr von Übergriffen ausgesetzt sind. In Ermangelung eines dauerhaften Heims haben viele Kinder nicht die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Der Mangel an Dolmetscherinnen und Fachärzten macht den Zugang zu medizinischer und psychologischer Versorgung, die für mehrere Mitglieder dieser Flüchtlingsfamilie unerlässlich sind, schwierig bis unmöglich.

Laut Denise Graf, Asylexpertin der Schweizer Sektion von Amnesty International, ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts skandalös: "Eine so verletzliche Flüchtlingsfamilie kann nicht mit ihren minderjährigen Kindern nach Griechenland zurückgeschickt werden, da sie dort sehr prekären Lebensbedingungen ausgesetzt wären. In Griechenland haben diese Kinder keine Sicherheit und keine Garantie, dass ihre Rechte respektiert werden. Hinzu kommt, dass sie alle bereits sehr gut in die Schweiz integriert sind."

Wohl des Kindes nicht berücksichtigt. Die Schweizer Behörden haben die Auswirkungen einer Abschiebung nach Griechenland auf die Persönlichkeit der betroffenen Minderjährigen nicht berücksichtigt und damit vermutlich unter anderem gegen Artikel 3 der Kinderrechtskonvention verstossen. Laut Immacolata Iglio Rezzonico, die den an die Uno gerichteten Eingabe zugunsten der Familie mitunterzeichnet hat, «muss bei solchen Urteilen das Wohl der minderjährigen Kinder vorrangig berücksichtigt werden. Folglich ist die Verletzung dieser staatlichen Verpflichtung sehr schwerwiegend.»

Die fünf Brüder der Familie sprechen fließend Italienisch. Die jüngeren Kinder besuchen die obligatorische Schule, sie gelten als gut integriert und werden von ihren Lehrpersonen geschätzt.

"Unser Land hat die Pflicht, diese Familie aufzunehmen, denn sie hat ihr Bestes gegeben, um sich zu integrieren, Italienisch zu lernen und ihr Leben in der Schweiz neu aufzubauen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Schweizer Recht sogar die Ausweisung von Straftätern in Länder verbietet, in denen ihnen unmenschliche Behandlung droht", sagte der ehemalige Staatsanwalt Paolo Bernasconi, der die Eingabe an das UNO-Komitee ebenfalls mitunterzeichnet hat.