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Polen: Frauenrechtsaktivistin Justyna Wydrzyńska verurteilt

Verurteilung ist gefährlicher Präzedenzfall

Die polnische Doula (Schwangerschafts- und Geburtsbegleiterin) und Aktivistin Justyna Wydrzynska wurde zu acht Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt, weil sie sich für den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen einsetzt.

Polens Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen gehört zu den restriktivsten in ganz Europa. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nur erlaubt, wenn die Gesundheit oder das Leben der schwangeren Person gefährdet oder die Schwangerschaft das Ergebnis von Vergewaltigung oder Inzest ist. Diese restriktiven Gesetze gefährden die Gesundheit und das Leben Schwangerer und verstoßen gegen Polens Verpflichtungen gemäß internationaler Menschenrechtsnormen und -standards.

Gemeinsam mit anderen Aktivistinnen setzt sich Justyna gegen die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein und stellt evidenzbasierte, unvoreingenommene Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch bereit. Sie wurde im März 2023 verurteilt, weil sie einer Frau in einer gewaltsamen Beziehung zu einer sicheren Abtreibung verhelfen wollte. Ihre Verurteilung ist ein gefährlicher Präzedenzfall.

Justyna Wydrzynskas Unterstützung für Menschen, deren gesundheitlichen Bedürfnisse aufgrund der restriktiven Gesetze vernachlässigt und aberkannt werden, ist wichtig und kann Leben retten. Ihre Arbeit sollte wertgeschätzt und nicht kriminalisiert werden.

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Zusätzliche Informationen

Die Aktivistin Justyna Wydrzyńska wurde offenbar als Repressalie für ihre legitimen Bemühungen um den Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen in Polen angeklagt. Justyna Wydrzyńska ist eine Doula (Schwangerschafts- und Geburtsbegleiterin) und Aktivistin, die offen über ihren eigenen Schwangerschaftsabbruch spricht. Sie gehört zu den Gründerinnen des polnischen Aktivist*innenkollektivs Aborcyjny Dream Team, das sich gegen die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzt und evidenzbasierte, unvoreingenommene Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch bereitstellt, u. a. über die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für einen sicheren, selbst durchgeführten Schwangerschaftsabbruch zu Hause.

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Polen laut Gesetz nur dann erlaubt, wenn die Gesundheit oder das Leben der schwangeren Person gefährdet oder die Schwangerschaft das Ergebnis von Vergewaltigung oder Inzest ist. Durch diese gesetzlichen Beschränkungen werden Menschen kriminalisiert, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen oder dabei helfen, und die Gesundheit und das Leben Schwangerer gefährdet. Außerdem verstoßen sie gegen die Verpflichtungen Polens gemäß internationaler Menschenrechtsnormen und -standards. Gerade wegen dieser Gesetze ist Justyna Wydrzyńskas Unterstützung für Menschen, deren gesundheitlichen Bedürfnisse vom polnischen Gesundheitssystem vernachlässigt und aberkannt werden, entscheidend und kann Leben retten. Ihre Arbeit sollte wertgeschätzt und nicht kriminalisiert werden.

Mit ihrem Einsatz ist Justina Wydrzyńska Teil einer wachsenden Bewegung aus Menschen in Polen und weltweit, die Solidarität und Empathie beweisen, indem sie anderen helfen, Zugang zu den sexuellen und reproduktiven Rechten zu erhalten, die ihnen zustehen. Polen muss dringend Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Schwangerschaftsabbrüche vollständig entkriminalisiert werden und Menschen, die sich für sexuelle und reproduktive Rechte einsetzen, darunter auch für den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen, ihrer legitimen Arbeit ohne Angst vor Repressalien oder Einschüchterung nachgehen können.

Hintergrund

Am 7. Mai 2021 erließ die Staatsanwaltschaft im Warschauer Stadtteil Praga einen Befehl zur Beschlagnahme mehrerer Gegenstände aus Justyna Wydrzyńskas Wohnung, darunter auch aller "Telekommunikationsmittel". Zuvor war sie über die Beteiligung von Justyna Wydrzyńska an der Unterstützung einer schwangeren Frau informiert worden, die zu Beginn der Coronapandemie im Jahr 2020 Hilfe bei der Beschaffung von Tabletten für einen selbst durchgeführten Schwangerschaftsabbruch gesucht hatte. Am 1. Juni 2021 führte die Polizei eine Hausdurchsuchung bei Justyna Wydrzyńska durch, bei der sie Tabletten, einen Computer, USB-Sticks und Mobiltelefone von ihr und ihren beiden Kindern beschlagnahmte. Am 22. November 2021 erhob die Staatsanwaltschaft gegen Justyna Wydrzyńska Anklage wegen Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch (Artikel 152, Absatz 2 Strafgesetzbuch) sowie wegen des Besitzes von Arzneimitteln ohne Zulassung zum Zwecke des Inverkehrbringens (Artikel 124 Arzneimittelgesetzbuch). In den von der Polizei in Justyna Wydrzyńskas Wohnung beschlagnahmten Tabletten befanden sich die Arzneistoffe Mifepriston und Misoprostol, die auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen. Doch laut Staatsanwaltschaft seien zwei der beschlagnahmten Arzneimittel in Polen nicht zugelassen. Im März 2023 wurde Justyna Wydrzyńska zu acht Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und Justynas Anwält*innen haben Berufung dagegen eingelegt.

Justyna Wydrzyńska ist eine Aktivistin und Doula, die Menschen bei Schwangerschaftsabbrüchen begleitet. Sie ist eine der vier Gründerinnen des Aktivist*innenkollektivs Aborcyjny Dream Team, das sich gegen die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Polen einsetzt und Schulungen sowie unvoreingenommene Beratungen für den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen anbietet. Seit 2019 ist Aborcyjny Dream Team Teil von Abortion Without Borders, einem feministischen Basisnetzwerk, das aus sechs Organisationen aus Polen und anderen Ländern Europas besteht. Das Netzwerk bietet Informationen, Beratung sowie finanzielle und praktische Unterstützung für Menschen in Polen, die einen Schwangerschaftsabbruch im Ausland benötigen, oder Zugang zu zuverlässigen Onlinequellen für Abtreibungsmedikamente, die einen sicheren, selbst eingeleiteten Schwangerschaftsabbruch zu Hause ermöglichen, da es in Polen nicht verboten ist, einen Schwangerschaftsabbruch selbst durchzuführen. Die polnischen Behörden haben die Aktivitäten von Aborcyjny Dream Team schon sind seit einigen Jahren im Visier. Angesichts eines zunehmend feindseligeren Umfelds sind die Aktivistinnen zudem frauenfeindlichen und verleumderischen Kampagnen ausgesetzt.

Polens Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen gehört zu den restriktivsten in ganz Europa. Am 22. Oktober 2020 entschied das polnische Verfassungsgericht, dass ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer tödlichen oder schweren Schädigung des Fötus verfassungswidrig ist, und strich damit einen der wenigen verbleibenden legalen Gründe für eine Abtreibung. Vor dem Inkrafttreten des Urteils am 27. Januar 2021 waren über 90 Prozent der jährlich rund 1.000 legalen Schwangerschaftsabbrüche im polnischen Gesundheitswesen aus diesem Grund erfolgt.

Musterbrief

Appelle an

GENERALSTAATSANWALTSCHAFT
Prosecutor General
ul. Postępu 3
02-676 Warszawa
POLEN
E-Mail: biuro.podawcze.pk@prokuratura.gov.pl

Kopien an

BOTSCHAFT DER REPUBLIK POLEN
Herr Janusz STYCZEK
Hietzinger Hauptstraße 42c
1130 Wien
Fax: (+43 / 1) 870 15 222
E-Mail: wieden.amb.sekretariat@msz.gov.pl

Amnesty International fordert:

  • das Urteil gegen die Menschenrechtsverteidigerin Justyna Wydrzyńska unverzüglich aufzuheben.
  • dafür zu sorgen, dass es keine weiteren Repressalien gegen sie oder andere Aktivist*innen gibt, die sich für sexuelle und reproduktive Rechte einsetzen, und dass der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Polen vollständig entkriminalisiert wird.

 

Inhalt

Dear Prosecutor General,

I am writing to express my deep concern about the sentencing of human rights defender Justyna Wydrzyńska to 8 months’ community service for helping a pregnant woman to access abortion pills in Poland, as per article 152.2 of the Penal Code that criminalises those who aid an abortion.

Justyna is a doula and an activist who has been outspoken about her own abortion. She is one of the founders of Abortion Dream Team, an activist collective in Poland that campaigns against abortion stigma and provides evidence-based and non-biased abortion-related information, including on World Health Organisation (WHO) guidance on safe self-managed medical abortion.

I am deeply concerned that Justyna’s conviction appears to be in reprisal for her activism and her legitimate efforts to defend access to safe and legal abortions in Poland. It sets a dangerous precedent.

I would like to stress that laws that restrict access to abortions in Poland - only allowed when the health or the life of the pregnant woman is at risk or when the pregnancy is the result of rape or incest - and criminalise those who provide or help with an abortion put pregnant people’s health and lives at risk and violate Poland’s obligations under international human rights law and standards. It is precisely because of these harmful laws, that Justyna’s support to people whose health needs have been neglected and denied by the Polish health care system are crucial and can save lives. Her work should be applauded, not criminalised.

Justyna’s efforts are part of a growing movement of individuals in Poland and around the world who show solidarity and compassion, while helping others to access the sexual and reproductive health and rights they are entitled to. Poland must take urgent action to ensure that abortion is fully decriminalised and that people defending sexual and reproductive rights, including access to safe abortion, are able to carry out their legitimate work without fear of reprisals or intimidation.

I therefore urge you to take all necessary measures to ensure that Justyna Wydrzyńska’s unjust conviction is overturned and to refrain from bringing any other charges against her for carrying out her legitimate defence of human rights.

Yours sincerely,

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