Loading...
© Richard Burton

news © Richard Burton

Polizeigewalt gegen Aktivistin

Setz dich ein!

Russland: Margarita Yudina von Polizist schwer verletzt

12. Februar 2021

Margarita Yudina wurde am 23. Januar auf einer friedlichen Protestveranstaltung in Sankt Petersburg von einem Polizisten schwer verletzt. Es liegt Videomaterial über den Vorfall vor. Die Behörden haben keine Untersuchung eingeleitet, sondern sich lediglich bei der Aktivistin entschuldigt. Um Margarita Yudina von einer Anzeige abzuhalten, schickten die Behörden Angehörige des Jugendamtes, um ihrer Tochter Fragen zu stellen, und suggerierten, dass ihre Söhne zum Militärdienst eingezogen werden könnten. Die Schikane von Margarita Yudina und ihrer Familie muss aufhören und ihr Angreifer zur Rechenschaft gezogen werden.

Setz dich ein!

Amnesty fordert:

  • Leiten Sie bitte umgehend eine zielführende und unparteiische Untersuchung des tätlichen Angriffs auf Margarita Yudina ein.
  • Sorgen Sie zudem dafür, dass sie und ihre Familie nicht weiter schikaniert oder eingeschüchtert werden.

Sachlage

Am 23. Januar wurde Margarita Yudina auf einer friedlichen Protestveranstaltung in Sankt Petersburg von einem Polizisten tätlich angegriffen. In einem öffentlich zugänglichen Video ist zu sehen, wie sie friedlich auf drei Polizist*innen zugeht und fragt, warum sie einen Protestierenden festgenommen haben. Daraufhin wurde sie von einem Polizisten brutal in den Bauch getreten. Margarita Yudina fiel zu Boden und zog sich Kopfverletzungen zu, woraufhin sie auf die Intensivstation gebracht werden musste. Im Krankenhaus wurde sie von einer Filmcrew und einem Polizisten aufgesucht, der sich vor laufender Kamera bei ihr entschuldigte.

Nachdem Margarita Yudina ihre Absicht beteuerte, offiziell Anzeige zu erstatten, und auf einer formalen Untersuchung bestand, erschienen unerwartet Angehörige der Staatsanwaltschaft und des Jugendamtes bei ihr zuhause. Infolge dieses Besuchs musste sie aufgrund von psychischem Stress erneut für kurze Zeit ins Krankenhaus eingeliefert werden. Am 28. Januar zitierten die Medien den Leiter der Stadtverwaltung, der gesagt haben soll, dass das Jugendamt "Bedenken habe" bezüglich der Lebensbedingungen der 15-jährigen Tochter von Margarita Yudina. Dies impliziert in der Regel, dass die Behörden erwägen, sich um das staatliche Sorgerecht für die Jugendliche zu bemühen. Der Leiter der Stadtverwaltung suggerierte zudem, dass ihre beiden älteren Söhne zum Militärdienst eingezogen würden. Allem Anschein nach werden Margarita Yudina und ihre Familienangehörigen schikaniert und eingeschüchtert, um sie davon abzuhalten, Gerechtigkeit für die von ihr erfahrene Polizeigewalt zu fordern.

Hintergrundinfo

Nachdem der prominente Kreml-Kritiker Alexej Nawalny bei seiner Ankunft auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo willkürlich festgenommen wurde, nahmen am 23. und 31. Januar Hunderttausende Menschen in ganz Russland an friedlichen Protestkundgebungen teil. Die Behörden gingen gewaltsam gegen die Proteste vor. Internationale und russische Medien zeigten Aufnahmen von friedlichen Protestierenden, die von der Polizei geschlagen und unter Einsatz von Gewalt festgenommen wurden. Laut Angaben der unabhängigen russischen Beobachtungsorganisation OVD-Info wurden am 23. Januar mehr als 4.000 Protestierende festgenommen (davon knapp 600 in Sankt Petersburg) und am 31. Januar mehr als 5.700. Nach der gerichtlichen Anhörung von Alexej Nawalny am 2. Februar, die in seiner Inhaftierung endete, fanden erneut Proteste statt und weitere 1.400 Menschen wurden festgenommen. Tausende Personen wurden unter verwaltungsrechtlichen Bestimmungen zu Geldstrafen oder mehrtägigen Haftstrafen verurteilt. In ganz Russland wurden mindestens 40 strafrechtliche Prozesse gegen Personen angestrengt, die an Protesten teilgenommen bzw. diese organisiert hatten. Doch in keinem einzigen Fall wurde die rechtswidrige Gewaltanwendung durch die Polizei untersucht.

Margarita Yudina ist eine von zahlreichen Personen, die während einer friedlichen Protestveranstaltung brutal und grundlos von Polizist*innen angegriffen wurden und nun Gerechtigkeit fordern. Am 23. Januar reiste Margarita Yudina aus der 147 Kilometer entfernten Stadt Luga in der Region Leningrad nach Sankt Petersburg an, um an der Demonstration teilzunehmen. Sie lebt in Luga mit ihrer 15-jährigen Tochter und ihren beiden 20- und 25-jährigen Söhnen.

Am 26. Januar, kurz nachdem Margarita Yudina angekündigt hatte, dass sie offiziell Anzeige erstatten und eine Untersuchung des Vorfalls verlangen werde, erschienen Angehörige der Staatsanwaltschaft und des Jugendamts bei ihr zuhause. Dies deutet in der Regel darauf hin, dass die Behörden erwägen, Minderjährige aufgrund von Sorgen um das Kindeswohl in staatliche Obhut zu nehmen. Laut Angaben des Rechtsbeistands von Margarita Yudina beteuerten die Beamt*innen, "lediglich mit ihr und ihrer Tochter reden" zu wollen; Margarita Yudina ließ sie jedoch nicht herein. Zwei Tage später sagte der Leiter der Stadtverwaltung öffentlich, dass das Jugendamt "Bedenken habe" bezüglich der Lebensbedingungen und schulischen Angelegenheiten der 15-Jährigen. Er stellte zudem infrage, weshalb die Söhne von Margarita Yudina sich nicht für den Militärdienst eingeschrieben und daher noch keinen Wehrdienst geleistet hätten.

Die russische Gesetzgebung sieht vor, dass alle Männer zwischen 18 und 27 Jahren sich für den Militärdienst einschreiben und bei ihrem Einzug den Wehrdienst ableisten müssen. Es gelten gewisse Ausnahmen, beispielsweise bei bestehenden Erkrankungen oder einem Universitätsstudium. In den vergangenen Jahren haben die russischen Behörden offenbar häufig auf den selektiven Einzug zum Wehrdienst zurückgegriffen, um politisch aktive Männer unter 27 Jahren für die Äußerung abweichender Meinungen zu bestrafen. Zu den Personen, die selektiv eingezogen wurden, befinden sich Personen mit eindeutigen Verbindungen zu Alexej Nawalny wie z. B. der Moderator seines YouTube-Kanals Ruslan Shaveddinov, sein Berater Artem Ionov sowie der Pressesekretär der unabhängigen Ärztegewerkschaft Ivan Konovalov.

 

Setz dich ein!

Diese Urgent Action läuft bis 9.4.2021