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© Itzel Plascencia López / Amnistía Internacional México

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Mexiko: Gerechtigkeit für getötete Frauen!

13. Dezember 2022

Der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates México sagte am 15. November zum dritten Mal eine öffentliche Veranstaltung ab, in deren Zentrum eine Entschuldigung an die Betroffenen von Feminiziden hätte stehen sollen. Dies stellt einen Rückschritt für Frauenrechte in Mexiko dar. Amnesty International fordert das Büro des Generalstaatsanwalts auf, die öffentliche Entschuldigung umgehend abzugeben und die Rechte der Opfer und ihrer Familien auf Gerechtigkeit und umfassende Wiedergutmachung zu gewährleisten.

 

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Sachlage

Am 15. November sagte die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates México ohne Erklärung und mit nur wenigen Stunden Vorlauf eine geplante öffentliche Entschuldigung ab, die an die Angehörigen von Frauen gerichtet hätte sein sollen, die in dem Bundesstaat Opfer von Verschwindenlassen und Feminizid geworden waren. (Der in Mexiko verwendete Begriff "Feminizid" statt "Femizid" verdeutlicht die politische Dimension von Morden an Frauen bei weitgehender Straflosigkeit.) Dies ist bereits das dritte Mal, dass diese Veranstaltung abgesagt wurde. Eine öffentliche Entschuldigung in dieser Angelegenheit hat für die Angehörigen große symbolische Bedeutung und trägt im Sinne der Genugtuung zu der zu leistenden Wiedergutmachung bei.

Von den insgesamt 32 Bundesstaaten Mexikos verzeichnet México eine besonders hohe Quote geschlechtsspezifischer Gewalt. Laut Angaben des Sekretariats für Öffentliche Sicherheit (Secretariado Ejecutivo del Sistema Nacional de Seguridad Pública) wurden in México zwischen dem 1. Januar und 31. Oktober 2022 mindestens 120 Feminizide begangen – mehr als in jedem anderen mexikanischen Bundesstaat. Ebenfalls besorgniserregend sind die zahlreichen Fälle des Verschwindenlassens von Frauen und Mädchen im Bundesstaat México. Daten der Nationalen Suchkommission (Comisión Nacional de Búsqueda) zeigen auf, dass der Verbleib von 353 Frauen und Mädchen, die zwischen dem 1. Januar und 31. Oktober 2022 in dem Bundesstaat als vermisst gemeldet wurden, nach wie vor ungeklärt ist.

Vor diesem Hintergrund hatte der Generalstaatsanwalt von México zu vier Fällen von Verschwindenlassen und Feminizid eine öffentliche Entschuldigung versprochen. Hierbei handelt es sich um die Fälle von: Nadia Muciño Márquez, die 2004 verschwand und getötet wurde; Daniela Sánchez Curiel, die 2015 verschwand und deren Verbleib unbekannt ist – ihre Familie geht davon aus, dass sie Opfer eines Feminizids wurde; Diana Velázquez Florencio, die 2017 verschwand und getötet wurde; und Julia Sosa Conde, die 2018 verschwand und getötet wurde.

Ein öffentliche Entschuldigung würde folgende Faktoren anerkennen: 1.) die Defizite bei der Untersuchung dieser Fälle; 2.) der Mangel an wirksamen Maßnahmen, um geschlechtsspezifische Gewalt im Bundesstaat México zu verhindern, untersuchen, verfolgen und bestrafen; und 3.) das schiere Ausmaß der geschlechtsspezifischen Gewalt im Bundesstaat México.

Entsprechend Paragraf 4, Abschnitt XVI des mexikanischen Gesetzes zum Verschwindenlassen (Ley General en Materia de Desaparición Forzada de Personas, Desaparición Cometida por Particulares y del Sistema Nacional de Búsqueda de Personas) fordert Amnesty International das Büro des Generalstaatsanwalts des Bundesstaates México auf, die öffentliche Entschuldigung abzugeben und die Rechte der Opfer und ihrer Familien auf Gerechtigkeit und umfassende Entschädigung zu gewährleisten.

 

Hintergrundinformation

Aus Recherchen von Amnesty International geht hervor, dass im Bundesstaat México die Ermittlungen in Fällen von Feminiziden, denen Verschwindenlassen vorausgeht, mit Mängeln behaftet sind. Häufig gehen Beweismittel verloren, die verschiedenen Ermittlungsstränge werden nicht ausreichend verfolgt, und das Konzept einer Gender-Perspektive (perspectiva de género) wird nicht angemessen angewendet. Darüber hinaus müssen die Familienangehörigen Zeit und Geld aufwenden, sowohl für eigene Nachforschungen als auch um entsprechenden Druck auf die Behörden auszuüben. Zudem laufen sie häufig Gefahr, von den mutmaßlichen Verantwortlichen oder gar den Behörden selbst bedroht zu werden. All dies behindert den Justizprozess und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Verantwortlichen straffrei ausgehen. Das Recht der Familien auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung wird somit stark eingeschränkt.

Aus internationalen Standards geht klar hervor, dass Regierungen die Pflicht haben, Gewalt gegen Frauen zu untersuchen und bestrafen. Zudem müssen Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt erfahren, Zugang zu Wiedergutmachung erhalten. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte im Fall Gonzalez und andere gegen Mexiko (Fall "Campo Algodonero"), dass das Verschwindenlassen und die Tötung von Frauen aus einer Gender-Perspektive untersucht werden muss. Darüber hinaus erklärte der Gerichtshof, dass die Verpflichtung zur Untersuchung dieser Fälle sorgfältig auszuführen ist, um zu vermeiden, dass die Verantwortlichen straflos ausgehen und sich solche Fälle wiederholen. Das Interamerikanische Übereinkommen über die Verhütung, Bestrafung und Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, dessen Vertragsstaat Mexiko ist, schreibt fest, dass Regierungen verpflichtet sind, die nötigen justiz- und verwaltungstechnischen Mechanismen einzurichten, um betroffenen Frauen den wirksamen Zugang zu Wiedergutmachung zu ermöglichen.

 

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