Loading...
© Amnesty International/Christopher Glanzl

news © Amnesty International/Christopher Glanzl

Iranische Demonstrantinnen inhaftiert!

9. Juli 2019

Die Arbeitsrechtsaktivistinnen Anisha Assadolahi, Atefeh Rangriz und Neda Naji sowie die Journalistin Marzieh Amiri befinden sich nach ihrer willkürlichen Festnahme seit Wochen ohne Zugang zu Rechtsbeistand in Haft. Ihnen werden im Zusammenhang mit einer friedlichen Kundgebung in Teheran am Internationalen Tag der Arbeit Verstöße gegen die nationale Sicherheit vorgeworfen. Die Frauen wurden anfänglich in verlängerter Einzelhaft festgehalten, die der Folter gleichkommt. Atefeh Rangriz und Neda Naji drohen derzeit Übergriffe von Mitgefangenen.

 

Setz dich ein!

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Anisha Assadolahi, Atefeh Rangriz, Neda Naji und Marzieh Amiri bitte umgehend und bedingungslos frei und lassen Sie alle Anklagen gegen sie fallen.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass sie bis zu ihrer Freilassung regelmäßig Besuch von ihren Rechtsbeiständen und ihrer Familie bekommen können und eine angemessene medizinische Versorgung erhalten.
  • Sorgen Sie auch dafür, dass Neda Naji und Atefeh Rangriz ins Evin-Gefängnis in Teheran verlegt werden, wo auch andere Frauen inhaftiert sind, die aus politischen Gründen festgehalten werden.

Sachlage

Anisha Assadolahi, Atefeh Rangriz, Neda Naji und Marzieh Amiri werden seit Wochen willkürlich ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand festgehalten und werden zu Unrecht Straftaten gegen die nationale Sicherheit beschuldigt. Sie sind gewaltlose politische Gefangene, da ihre Festnahme allein im Zusammenhang mit einer friedlichen Kundgebung zum 1. Mai in Teheran erfolgte.

Nach ihrer Festnahme am 1. Mai wurden Atefeh Rangriz und Neda Naji über mehrere Wochen in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses in Einzelhaft festgehalten. Dass sie keinen Zugang zu ihren Familien haben, kommt Folter oder anderen Formen von Misshandlung gleich. Am 6. Mai wurden sie von einer Gefängniswärterin geschlagen, nachdem es zu einem Streit gekommen war. Sie hatten sich geweigert, auf dem Weg zum Gefängniskrankenhaus einen Tschador zu tragen. Neda Naji erlitt dadurch eine vorübergehende Beeinträchtigung ihres Sehvermögens, Atefeh Rangriz Verletzungen an Arm und Schulter. Am 8. Juli wurden sie nach wochenlangen Verhören durch den Geheimdienst in das Büro der Staatsanwaltschaft im Evin-Gefängnis gebracht und wegen „Versammlung und Planung einer Straftat ... gegen die nationale Sicherheit“, „Verbreitung von systemfeindlicher Propaganda“, „Störung der öffentlichen Ordnung“ und „Beleidigung von Beamt_innen im Dienst“ angeklagt. Seit Mitte Juli befinden sie sich im Gefängnis von Shahr-e Rey in der Stadt Varamin. Hier werden wegen schwerer Gewalttaten verurteilte Frauen unter unhygienischen Bedingungen festgehalten. Es gibt häufige Berichte aus der Einrichtung über Übergriffe gegen Häftlinge sowohl durch andere Gefangene als auch durch das Gefängnispersonal. Neda Naji und Atefeh Rangriz sind somit der Gefahr von Übergriffen und Infektionskrankheiten ausgesetzt.

Anisha Assadolahi drohen in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses, wo sie seit dem 18. Juni ohne Zugang zu ihrer Familie oder einem Rechtsbeistand festgehalten wird, Folter und andere Misshandlungen. Anisha Assadolahi wurde ebenfalls bei der Kundgebung am 1. Mai festgenommen. Sie wurde am 5. Mai freigelassen, am 18. Juni jedoch erneut festgenommen. Marzieh Amiri kam am 1. Mai in Haft, nachdem sie versucht hatte, Informationen zu den bei der Kundgebung festgenommenen Personen zu erhalten. Sie wurde bis zum 8. Mai in einer geheimen Haftanstalt der Revolutionsgarden festgehalten und dann in die Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses verlegt, wo sie sich 35 Tage lang in Einzelhaft befand. Am 8. Juni wurde sie in den Frauentrakt des Evin-Gefängnisses verlegt. Marzieh Amiri leidet an Epilepsie und es wird befürchtet, dass die mit der Inhaftierung verbundenen Belastungen zu Anfällen führen könnten. Sie leidet akut unter Schwindel und niedrigem Blutdruck.

Hintergrundinformation

Atefeh Rangriz und Neda Naji wurden am 1. Mai 2019 festgenommen, als sie an einer friedlichen Kundgebung zum Internationalen Tag der Arbeit vor dem iranischen Parlament in Teheran teilnahmen. Die Versammlung wurde von Sicherheitskräften und Angehörigen des Geheimdienstes gewaltsam aufgelöst. Die beiden Frauen verbrachten die erste Nacht in der Haftanstalt Vozara in Teheran, wo sie von Beamt*innen schikaniert und eingeschüchtert wurden. Anschließend wurden sie in das Gefängnis von Shahr-e Rey in der Stadt Varamin in der Nähe von Teheran verlegt. Nach drei Tagen wurden sie in die Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses verlegt und dort bis Mitte Juni meist in Einzelhaft festgehalten. Die Abteilung untersteht dem Geheimdienst. Nach ihrer Verlegung in die Abteilung 209 am 5. Mai trat Neda Naji für fünf Tage in den Hungerstreik, um dagegen zu protestieren, dass die Behörden ihr einen Anruf bei ihrer Familie verweigerten. Am 14. Tag nach ihrer Verlegung ins Evin-Gefängnis wurde ihr schließlich die Erlaubnis dazu erteilt. Allerdings durfte sie bis etwa zum 31. Mai keine Familienbesuche erhalten. Atefeh Rangriz und Neda Naji wurden in Einzelhaft verhört, ohne dass ein Rechtsbeistand anwesend war, und unter Druck gesetzt, die Planung von Protesten, die der nationalen Sicherheit schaden sollten, zu „gestehen“. Neda Naji durfte zehn Tage lang ihren Asthma-Inhalator nicht nutzen, was ihr körperliche Beschwerden und psychische Probleme bereitete. Am 8. Juli wurden die beiden Frauen in das Büro der Staatsanwaltschaft im Evin-Gefängnis gebracht und offiziell wegen „Versammlung und Absprache von Verbrechen gegen die nationale Sicherheit“, „Verbreitung von systemfeindlicher Propaganda“, „Störung der öffentlichen Ordnung“ und „Beleidigung von Beamt*innen“ angeklagt. Die letzte Anklage wurde erhoben, weil sie sich in separaten Vernehmungen über die missbräuchliche Behandlung durch die Vernehmungsbeamt*innen beschwert hatten.

Mitte Juli wurden Atefeh Rangriz und Neda Naji zurück ins Gefängnis von Shahr-e Rey verlegt, wo ein hohes Risiko für ihre Sicherheit und Gesundheit besteht. In diesem überfüllten Gefängnis werden Frauen, die wegen schwerer Gewaltverbrechen verurteilt wurden, unter unhygienischen Bedingungen festgehalten. Aus der Einrichtung gibt es häufige Berichte über Übergriffe gegen Häftlinge sowohl durch andere Gefangene als auch durch das Gefängnispersonal sowie über die Verbreitung von psychischen Erkrankungen, Selbstverletzungen unter Häftlingen und verbreiteten Drogenkonsum. Das Gefängniswasser ist angeblich salzig und nicht trinkbar, so dass die Gefangenen keine andere Wahl haben, als überteuertes, abgefülltes Trinkwasser aus dem Gefängnisladen zu kaufen. Die Gefängnismahlzeiten werden ebenfalls als ungenießbar bezeichnet, und die meisten Gefangenen entscheiden sich dafür, ihre Lebensmittel im Gefängnisladen zu kaufen, in dem hauptsächlich Konserven erhältlich sind. Gefangene erhalten in der Regel finanzielle Unterstützung von ihren Familien oder arbeiten im Gefängnis, um Wasser und Nahrung kaufen zu können. Weitere häufige Beschwerden sind zahlreiche Stromausfälle, fehlende Lüftungs- oder Klimaanlagen, schmutzige und unzureichende Sanitäranlagen, sehr niedriger Wasserdruck in den Duschen und ein akuter Mangel an Betten, so dass viele Gefangene auf dem Boden schlafen müssen. Den Gefangenen wird auch der Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung verwehrt, was zur Verbreitung ansteckender Krankheiten wie Tuberkulose und Hepatitis führt. Nach dem Völkerrecht, wie es in den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) zum Ausdruck kommt, müssen die Gefängnisbehörden den Gefangenen Lebensmittel mit hohem Nährwert sowie Trinkwasser und saubere und hygienische Haftbedingungen zur Verfügung stellen.

Auch Anisha Assadolahi wurde bei der Kundgebung am 1. Mai festgenommen. Sie soll während ihrer Festnahme geschlagen worden sein und dabei Prellungen am Körper erlitten haben. Sie verbrachte ihre erste Nacht in der Haftanstalt Vozara in Teheran, wo sie von Beamt_innen schikaniert und eingeschüchtert wurde. Anschließend wurde sie in das Gefängnis von Shahr-e Rey in Varamin verlegt. Am 5. Mai wurde Anisha Assadolahi freigelassen, am 18. Juni jedoch in ihrem Zuhause durch zwölf Angehörige des Geheimdienstes erneut festgenommen. Ihr Haus wurde gründlich durchsucht, darunter auch die persönlichen Gegenstände von Anisha Assadolahi und ihrer Familie- Der Geheimdienst beschlagnahmte u. a. elektronische Geräte, Fotoalben und Bücher. Anisha Assadolahi befindet sich seither in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses in Einzelhaft. Ihre Familie hat wiederholt um eine Möglichkeit zum Besuch gebeten, doch hieß es seitens der Behörden, dies sei nicht gestattet, solange sie noch verhört werde. Anisha Assadolahi durfte ihre Familie nur zwei Mal anrufen – einmal am Tag ihrer Festnahme und das nächste Mal nach zwei Wochen Haft. Beide Male dauerte der Anruf nur wenige Minuten und fand in Anwesenheit des Sicherheitspersonals statt, so dass sie nicht frei sprechen konnte.

Marzieh Amiri arbeitet als Journalistin bei der Zeitung Shargh. Sie wurde am 1. Mai 2019 festgenommen, nachdem sie zur iranischen Sicherheitspolizei gegangen war, um Informationen über die Dutzenden von Menschen einzuholen, die bei der Mai-Kundgebung festgenommen worden waren. Nachdem sie die erste Nacht in der Haftanstalt von Vazara verbracht hatte, wurde sie an einen unbekannten Ort gebracht. Am 3. Mai brachten zehn Angehörige des Geheimdienstes Marzieh Amiri nach Hause, nahmen eine gründliche Hausdurchsuchung vor und beschlagnahmten ihre persönlichen Sachen sowie die ihrer Familie, darunter Mobiltelefone, Laptops und Bücher. An diesem Tag berichtete sie ihrer Familie, dass sie in einer geheimen Haftanstalt der Revolutionsgarden festgehalten werde. Am 8. Mai wurde sie in die Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses verlegt. Dort wurde sie 35 Tage lang in Einzelhaft gehalten und verhört. Am 8. Juni wurde sie in den Frauentrakt des Evin-Gefängnisses verlegt. Marzieh Amiri hat rund sieben Kilo an Gewicht verloren.

Eine verlängerte Einzelhaft verstößt gegen die Nelson-Mandela-Regeln und erfüllt den Tatbestand von Folter und anderen Formen der Misshandlung. Zudem sind die Behörden verpflichtet, gewalttätige oder gefährliche Gefangene von anderen Häftlingen fernzuhalten und Gefangene, die noch nicht verurteilt wurden, von bereits verurteilten Gefangenen zu trennen.

 

Setz dich ein!

Urgent Action bis 20.08.2019