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Iran: Zeynab Jalalian wird Behandlung verweigert

1. Februar 2021

Angehörige des Geheimdienstministeriums verweigern der iranisch-kurdischen Gefangenen Zeynab Jalalian die dringend erforderliche medizinische Behandlung, um sie zu einem "Geständnis" zu zwingen. Diese vorsätzliche Verweigerung medizinischer Versorgung stellt Folter dar und verursacht Zeynab Jalalian große Schmerzen, da sie an schwerwiegenden Erkrankungen leidet, darunter Atembeschwerden nach einer Covid-19-Erkrankung.

Setz dich ein!

Amnesty fordert

  • Bitte kommen Sie den Forderungen der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen nach und lassen Sie Zeynab Jalalian sofort frei und gewähren Sie ihr ein einklagbares Recht auf Entschädigung.
  • Bis zu ihrer Freilassung muss Zeynab Jalalian die erforderliche medizinische Versorgung gewährt werden; so müssen ihr Behandlungen, die im Gefängnis nicht durchgeführt werden können, außerhalb der Hafteinrichtung ermöglicht werden. Zudem muss sie vor weiterer Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden. Bitte sorgen Sie dafür, dass Zeynab Jalalian in ein Gefängnis in der Nähe des Wohnortes ihrer Familie verlegt wird.
  • Ordnen Sie bitte unverzüglich eine unabhängige und unparteiische Untersuchung zu den von Zeynab Jalalian erhobenen Vorwürfen über Folter und anderweitige Misshandlungen an. Stellen Sie alle Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht, in denen nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen werden kann.
  • Ich möchte Sie außerdem daran erinnern, dass die Schikanierung und Festnahme von Familienmitgliedern, die sich öffentlich für ihre inhaftierten Angehörigen einsetzen, Verstöße gegen das Völkerrecht darstellen.

Sachlage

Seit dem 29. April 2020, als es in Gefängnissen im gesamten Land zu Ausbrüchen von Covid-19 kam, haben Angehörige des Geheimdienstministeriums die iranische Kurdin Zeynab Jalalian in vier verschiedene Gefängnisse verlegt und sie unter Verletzung des absoluten Folterverbots über längere Zeit in Einzelhaft gehalten und ihr den Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung verweigert. Das Geheimdienstministerium ist nur dann bereit, ihr die erforderliche medizinische Versorgung zu gewähren, wenn sie ihre Verfehlungen "gesteht" und vor laufender Kamera Reue für ihre früheren politischen Aktivitäten bekundet und einer Zusammenarbeit mit dem Geheimdienstministerium zustimmt. Auch die Verlegung in ein Gefängnis, das näher am Wohnort ihrer Familie in der Provinz West-Aserbaidschan liegt, sowie ein Ende der Repressalien gegen Zeynab Jalalian und ihre Familie, macht das Geheimdienstministerium von ihrem "Geständnis" abhängig.

Zeynab Jalalian verbüßt eine lebenslange Haftstrafe im Gefängnis von Yazd, 1.400 km vom Wohnort ihrer Familie entfernt. Das Urteil erfolgte im Dezember 2008 nach einem unfairen Verfahren, das nur wenige Minuten dauerte und ohne dass ihr Anwalt anwesend war. Nach ihrer willkürlichen Festnahme wurde Zeynab Jalalian acht Monate lang in Einzelhaft gehalten, ohne dass sie Zugang zu einem Rechtsbeistand hatte. Nach eigenen Angaben wurde sie in dieser Zeit von Geheimdienstmitarbeiter*innen gefoltert, u.a. durch Schläge auf die Fußsohlen und in den Bauchraum. Zudem habe man ihren Kopf gegen die Wand geschlagen und gedroht, sie zu vergewaltigen.

Hintergrundinfo

Am 29. April 2020 holten Mitarbeiter*innen des Geheimdienstministeriums Zeynab Jalalian aus dem Khoy-Gefängnis in der Provinz West-Aserbaidschan ab, das in der gleichen Provinz liegt, in der auch ihre Familie lebt und in dem sie seit einigen Jahren inhaftiert war. Am folgenden Tag wurde sie in das Shahr-e Rey Gefängnis in Varamin, außerhalb von Teheran, gebracht. In einem Telefonat mit ihrer Familie Anfang Juni 2020 sagte Zeynab Jalalian, dass sie ab dem 2. Juni 2020 kurzatmig gewesen sei und daraufhin in der Krankenstation des Gefängnisses positiv auf das Corona-Virus getestet worden sei. Sie gab an, dass das Gefängnispersonal ihr gesagt habe, das Geheimdienstministerium untersage ihre Verlegung in ein Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses.

Am 8. Juni 2020 wurde Zeynab Jalalian schließlich aber doch in ein Krankenhaus außerhalb der Hafteinrichtung gebracht und auf Covid-19 untersucht, unter anderem mit einem Scan ihrer Lunge. Danach musste sie wieder ins Gefängnis. Sie sagte später, dass der Krankenhausarzt ihre Covid-19-Diagnose erneut bestätigte und ihr sagte, dass die Scans wolkige Flecken auf ihrer Lunge zeigten. Im selben Monat suchten Vernehmungsbeamt*innen des Geheimdienstministeriums Zeynab Jalalian im Gefängnis auf und teilten ihr mit, dass sie ihr weiterhin den Zugang zu medizinischer Versorgung verweigerten. Außerdem teilten sie ihr mit, dass sie weit weg vom Wohnort ihrer Eltern inhaftiert würde, wenn sie nicht auf Video aufgezeichnete "Geständnisse" ablege, in denen sie Reue zeige und sich bereit erkläre, mit ihnen zu arbeiten.

Am 20. Juni 2020 trat Zeynab Jalalian in einen Hungerstreik, um gegen ihre fortgesetzte Inhaftierung im Shahr-e Rey-Gefängnis zu protestieren und ihre Verlegung in das Khoy-Gefängnis oder in das Evin-Gefängnis in Teheran zu fordern. Mit dem Hungerstreik protestierte sie auch gegen die Verweigerung ihrer medizinischen Behandlung. Am 25. Juni 2020 wurde sie in das Gefängnis von Kerman in der gleichnamigen Provinz verlegt, wo sie fast drei Monate lang in verlängerter Einzelhaft gehalten wurde und ihr der Kontakt zu ihrer Familie bis zum 28. Juli 2020 verweigert wurde, als man ihr ein kurzes Telefongespräch gestattete. Während dieses Anrufs, der in Anwesenheit von Vernehmungsbeamt*innen stattfand, sagte sie, die Beamt*innen hätten sie angewiesen, mit ihrer Familie auf Persisch und nicht auf Kurdisch, ihrer Muttersprache, zu sprechen. Sie berichtete auch, dass man ihr gesagt habe, sie sei ins Gefängnis von Kerman gebracht worden, weil sie mit Menschenrechtsorganisationen im Ausland in Kontakt stehe.

Am 22. September 2020 wurde Zeynab Jalalian unangekündigt in das Gefängnis von Kermanshah in der Provinz Kermanshah verlegt. In einem Telefonat mit ihrer Familie aus dem Kermanshah-Gefängnis klagte sie über anhaltenden Husten, Atembeschwerden und eine Augenentzündung, die mit einem Augenleiden in Zusammenhang stand.

Am 10. November 2020 telefonierte sie mit ihrer Familie aus dem Gefängnis von Yazd in der Provinz Yazd. Zeynab Jalalian bezeichnete die Verlegungen als eine Art "psychische Folter"; jeder Gefängnistransfer bedeute eine Anpassung an neues Gefängnispersonal, neue Insass*innen und ein neues System. Zeynab Jalalian fügte auch hinzu, dass sie bei den Verlegungen nicht alle ihre persönlichen Sachen mitnehmen konnte.

 

Zeynab Jalalian wird seit über sechs Jahren in Haft die Verlegung in außerhalb des Gefängnisses liegende Einrichtungen zur medizinischen Behandlung verweigert. Nur einmal im Jahr 2020, im Juni, wurde sie kurzzeitig außerhalb des Gefängnisses medizinisch versorgt, nachdem sie positiv auf Covid-19 getestet worden war. Sie hatte keinen weiteren angemessenen Zugang zu medizinischer Versorgung, auch nicht zur Behandlung einer schweren Augenerkrankung und einer nach Covid-19 aufgetretenen Atemwegserkrankung, die nach ihren Angaben so akut ist, dass sie nicht schlafen kann.

 

Am 29. November 2020 wurde Ali Jalalian, der Vater von Zeynab Jalalian, von Angehörigen des Geheimdienstministeriums festgenommen und verhört, weil er mit Menschenrechtsorganisationen und Medien außerhalb des Iran über seine Tochter gesprochen hatte. Einen Tag später kam er gegen Kaution wieder frei.

 

Zeynab Jalalian wurde im März 2008 wegen ihres sozialen und politischen Einsatzes beim politischen Flügel der "Partei für ein freies Leben in Kurdistan" (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê – PJAK) festgenommen. Ihr Engagement konzentrierte sich auf Aktivitäten für die kurdische Selbstverwaltung sowie der Stärkung von Frauen, die der kurdischen Minderheit im Iran angehören. PJAK ist eine politisch-kurdische Oppositionsgruppe, die auch einen bewaffneten Flügel hat. Zeynab Jalalian wurde ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand acht Monate lang in Einzelhaft gehalten. Ihren Angaben zufolge wurde sie während dieser Zeit von Angehörigen des Geheimdienstministeriums gefoltert. Unter anderem soll man ihr Stockschläge auf die Fußsohlen und Schläge in den Bauchbereich versetzt, ihren Kopf gegen eine Wand geschlagen und ihr mit Vergewaltigung gedroht haben. Anfang 2009 wurde sie in einem Gerichtsverfahren, das nur wenige Minuten dauerte und grob unfair war, wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) zum Tode verurteilt. Das Revolutionsgericht von Kermanshah befand sie für schuldig, "Waffen gegen den Staat erhoben" zu haben, obwohl es keinerlei Beweise für eine Verbindung zu bewaffneten Aktivitäten der PJAK gab. Aufgrund ihrer "mutmaßlichen Zugehörigkeit zum bewaffneten Flügel der PJAK" und ihrer Reisen zwischen dem Iran und dem Irak zog das Gericht den Schluss, dass "sie an terroristischen Operationen beteiligt gewesen sein könnte, sich jedoch weigert, die Wahrheit zu sagen". Der Rechtsbeistand von Zeynab Jalalian, den sie erst wenige Wochen vor ihrem Verfahren beauftragen durfte, erhielt nicht die Möglichkeit, sie bei dem Verfahren zu vertreten, da man ihn nicht über das Datum des Gerichtstermins informierte. Im Mai 2009 wurde ihr Todesurteil bestätigt. Im Dezember 2011 begnadigte der Oberste Religionsführer des Iran sie, und das Todesurteil wurde in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt.

 

Im Mai 2019 wurde ihr Anwalt Amirsalar Davoudi im Zusammenhang mit seiner Menschenrechtsarbeit zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Seitdem hat Zeynab Jalalian keinen Rechtsbeistand mehr, und ihre Familie muss sich ohne rechtliche Unterstützung um ihre Anliegen kümmern. Unter anderem hat die Familie beantragt, dass Zeynab Jalalian in Krankenhäusern außerhalb des Gefängnisses behandelt wird. Das wird für die Familie zunehmend schwieriger, zum einen wegen der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19, zum andern wegen der Verlegung von Zeynab Jalalian in verschiedene Gefängnisse weit weg von ihrem Wohnort.

 

Im April 2016 forderte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen die iranischen Behörden auf, Zeynab Jalalian sofort freizulassen, da sie nur aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit im Rahmen "ihrer sozialen und politischen Aktivitäten für die Rechte kurdischer Frauen" und "ihre Beteiligung an politischen Aktivitäten... mit dem nicht militanten Flügel der PJAK" inhaftiert sei. Die UN-Arbeitsgruppe kam zu dem Schluss, Zeynab Jalalian sei der Zugang zu einem fairen Gerichtsverfahren verweigert worden und ihre Behandlung sei ein Verstoß gegen das Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Wenn sich Behörden weigern, Gefängnisinsass*innen medizinische Versorgung bereitszustellen und wenn ein solches Vorenthalten vorsätzlich geschieht und einer Person "große Schmerzen oder Leiden" zugefügt werden, um sie zu bestrafen, zu nötigen oder einzuschüchtern, ein "Geständnis" zu erlangen oder aus einem sonstigen auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, so ist dies mit Folter gleichzusetzen.

 

Setz dich ein!

Diese Urgent Action läuft bis 29.3.2021