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Iran: LGBTI-Aktivistin droht Todesstrafe

25. Jänner 2022

Seit dem 27. Oktober 2021 wird die iranische, gender-nonkonforme Menschenrechtsverteidigerin Zahra Sedighi-Hamadani, auch bekannt als Sareh, willkürlich im Zentralgefängnis der Stadt Urmia festgehalten. Grund dafür ist ihre tatsächliche oder vermeintliche sexuelle Orientierung und ihre Geschlechtsidentität sowie ihre Beiträge zur Verteidigung von LGBTI-Rechten in den Sozialen Medien. Die Behörden misshandelten sie und drohten, sie aufgrund der "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" zu verurteilen. Damit droht ihr die Todesstrafe.

 

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Sachlage

Die gender-nonkonforme Menschenrechtsverteidigerin Zahra Sedighi-Hamadani, auch bekannt als Sareh, ist willkürlich im Zentralgefängnis der west-aserbaidschanischen Provinzhauptstadt Urmia im Iran inhaftiert. Ihre Festnahme geschah ausschließlich in Zusammenhang mit ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität, sowie ihrer Beiträge und Stellungnahmen zur Verteidigung der Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI). Am 27. Oktober 2021 nahmen die Revolutionsgarden sie nahe der iranisch-türkischen Grenze fest, als sie versuchte, ohne offizielle Erlaubnis in die Türkei einzureisen, um internationalen Schutz zu suchen. Nach ihrer Festnahme war sie 53 Tage lang "verschwunden". Anschließend stellte sich heraus, dass die Revolutionsgarden sie in Einzelhaft in einer Haftanstalt in Urmia festhielten. Sie berichtete, dass sie in diesem Zeitraum intensiven Verhören durch einen Angehörigen der Revolutionsgarde ausgesetzt war, der sie außerdem aufgrund ihrer Identität und Erscheinung beleidigte und beschimpfte. Er drohte ihr sogar damit, sie hinzurichten oder sie anderweitig zu verletzen und ihr das Sorgerecht für ihre zwei kleinen Kinder zu entziehen. Diese Handlungen verletzen das uneingeschränkte Verbot der Folter und anderer Misshandlungen.   

Am 16. Januar 2022 wurde Zahra Sedighi-Hamadani der Ermittlungsleitung der Abteilung 6 der Revolutionsstaatsanwaltschaft in Urmia vorgeführt. Diese informierte sie darüber, dass sie wegen der "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" angeklagt sei. Unter diesen Anklagepunkt fällt die "Förderung von Homosexualität", die "Kommunikation mit Medien der Gegner der Islamischen Republik Iran" sowie die "Förderung des Christentums". Die ersten beiden Vorwürfe basieren auf ihrer Verteidigung von LGBTI-Rechten in der Öffentlichkeit, wie z. B. über die Sozialen Medien und mittels eines Auftritts in einer BBC-Dokumentation über Menschenrechtsverstöße, denen LGBTI-Personen in der Irakischen Region Kurdistan ausgesetzt sind. Diese wurde im Mai 2021 ausgestrahlt. Laut Informationen, die Amnesty International vorliegen, bezieht sich der dritte Vorwurf darauf, dass sie eine Halskette mit einem Kreuzanhänger trug und vor einigen Jahren eine Hauskirche besuchte. Um eine offizielle Anklageschrift zu erstellen, ist ihr Fall an die Revolutionsstaatsanwaltschaft in Urmia übergeben worden.

 

 

Hintergrundinformation

Die 30-jährige Zahra Sedighi-Hamadani hatte sich vor ihrer Festnahme durch die iranische Revolutionsgarden im Nordirak aufgehalten. Sie entschied sich jedoch nach ihrer dortigen willkürlichen Festnahme durch die Asayish Anfang Oktober 2021 in Erbil, und ihrer darauffolgenden Inhaftierung von 21 Tagen, die autonome Region Kurdistan im Irak (KR-I) zu verlassen und über den Iran reisend in der Türkei Asyl zu suchen. Die Asayish ist der wichtigste Sicherheits- und Geheimdienst der kurdischen Regionalregierung. Diese erste Festnahme geschah in Zusammenhang mit ihrem Auftritt in einer BBC-Dokumentation vom Mai 2021, die die Menschenrechtsverstöße gegen die Mitglieder der LGBTI-Community im kurdischen Nordirak thematisierte. Sie berichtete, dass sie während ihrer damaligen Haft durch Mitarbeiter_innen des Sicherheits- und Geheimdienstes Folter und andere Misshandlungen erfuhr, darunter Schläge, Elektroschocks und verlängerte Einzelhaft. Nach ihrer Freilassung hatte sie ständig Angst, erneut inhaftiert zu werden. 

Bevor sie sich auf den gefährlichen Teil ihrer Reise über die iranisch-türkische Grenze aufmachte, nahm sie eine Videonachricht auf und bat eine Vertrauensperson, diese zu veröffentlichen, sollte sie es nicht wohlbehalten in die Türkei schaffen. Sie berichtet in dem Video, das am 7. Dezember 2021 von dem iranischen Lesben- und Transgender-Netzwerk 6Rang verbreitet wurde: "Ihr sollt wissen, wie viel Druck wir Mitglieder der LGBT-Community erdulden. Wir riskieren unser Leben für unsere Gefühle, aber so finden wir zu uns selbst... Ich hoffe, dass der Tag kommen wird, an dem wir alle frei in unserem Land leben können... Jetzt reise ich der Freiheit entgegen. Ich hoffe, dass ich wohlbehalten ankommen werde. Sollte ich es schaffen, werde ich mich weiter für LGBT-Personen einsetzen. Ich werde hinter ihnen stehen und meine Stimme für sie erheben. Falls ich es nicht schaffe, werde ich mein Leben dafür gegeben haben."

Am 6. November 2021 veröffentlichte der Geheimdienst der Revolutionsgarden in der Provinz West-Aserbaidschan eine Stellungnahme, die von den staatlichen Medien weit verbreitet wurde. In dieser hieß es, dass sie "in einer komplexen, vielschichtigen und extraterritorialen Geheimdienstoperation den Kopf eines Netzwerks gefasst" hätten, "welches iranische Mädchen und Frauen in Nachbarländer schmuggelt". Dies geschehe "zum Zweck der Verdorbenheit und der Leitung und Unterstützung von homosexuellen Gruppen, die unter dem Schutz von [ausländischen] Geheimdiensten arbeiten." Basierend auf den Anklagen, die in Verhören gegen Zahra Sedighi-Hamadani erhoben wurden, schließt Amnesty International, dass diese offizielle Stellungnahme sich auf ihren Fall bezieht. Die Menschenrechtsorganisation ist der Ansicht, dass die Beschuldigung zu "Schmuggeln" falsch und unbegründet ist und sich auf Zahra Sedighi-Hamadanis Verbindungen mit anderen iranischen Asylsuchenden der LGBTI-Community beziehen.

Am 30. Dezember 2021 übernahmen Mitglieder des Geheimdienstes der Revolutionsgarden Zahra Sedighi-Hamadanis Telegramkanal, welcher ungefähr 1.200 Abonnent*innen hatte. Sie änderten ihr Profilbild zum Logo des Geheimdienstes und veröffentlichten folgende Nachricht: "Der Schutz von Familienwerten ist die rote Linie der unbekannten Soldaten des Imam Zaman [Name für "al-Mahdi", den letzten der Zwölf Imame und der im schiitischen Glauben erwartete Erlöser] für den Geheimdienst der Revolutionsgarden."

Gender-nonkonforme Personen in Iran riskieren eine Kriminalisierung, sofern sie keine Änderung des Geschlechtseintrags in ihren Ausweisdokumenten anstreben; eine Prozedur, die eine operative Geschlechtsangleichung und Zwangssterilisierung vorschreibt. Gender-nonkonforme Personen, die das ihnen bei der Geburt zugeteilte Geschlecht nicht ändern können oder wollen, oder nicht zwischen den binären Geschlechtskategorien Mann und Frau wählen wollen oder können, werden diskriminiert. Die Diskriminierung geschieht in Bereichen wie dem Zugang zu Bildung, innerhalb des Arbeitsmarkts, der Gesundheitsversorgung und den öffentlichen Dienstleistungen, denn das System der Islamischen Republik Iran setzt die Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit sehr konsequent durch. Dazu gehören auch strikte Kleidungsvorschriften.

Das iranische Islamische Strafgesetzbuch aus dem Jahr 2013 beinhaltet eine Vielzahl an Vorschriften, die einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Minderjährigen und auch zwischen Erwachsenen des gleichen Geschlechts kriminalisieren. Sie werden mit Körperstrafen, wie z. B. Prügelstrafen, die der Folter gleichkommen, und der Todesstrafe geahndet. Die Todesstrafe ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Sexuelle Handlungen zwischen zwei Frauen sind unter dem Vorwurf mosahegheh kriminalisiert, was nach Absatz 238 des Strafgesetzbuches als "das Platzieren des Sexualorgans auf das einer anderen Frau" definiert wird. Die Bestrafung von mosahegheh beläuft sich auf 100 Stockhiebe, aber bei einer vierten "Überführung" kann dies nach den Absätzen 136 und 236 des Strafgesetzbuches mit dem Tod bestraft werden. Nach dem Strafgesetzbuch wird  der Analverkehr zwischen zwei Männern (lavat) mit Prügelstrafen bis hin zur Todesstrafe geahndet. Sollte zwischen den Partner*innen keine Penetration stattgefunden haben, können sie wegen tafkhiz für schuldig befunden werden, was nach Absatz 235 als "das Platzieren des männlichen Sexualorgans zwischen den Oberschenkeln oder dem Gesäß eines anderen Mannes" definiert wird. Die Strafen für tafkhiz sind denen ähnlich, die für mosahegheh verhängt werden. Außerdem schreibt Absatz 237 des Strafgesetzbuches eine Strafe von 31 bis zu 74 Stockhieben vor für "Homosexualität des Mannes, die sich durch ein Sexualverhalten äußert, das nicht in die Kategorien von lavat und tafkhiz fällt. Darunter zählen Küsse oder lüsterne Berührungen". Anmerkung 1 zu Absatz 237 gibt vor, dass dieser genauso für Frauen gilt.

 

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