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© Amnesty International/Christopher Glanzl

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Haftstrafen für Frauenrechtsverteidigerinnen

9. August 2019

Drei Frauenrechtsverteidigerinnen sind zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Monireh Arabshahi und Yasaman Aryani wurden zu 16 Jahren Haft verurteilt, und gegen Mojgan Keshavarz ist eine Gefängnisstrafe von 23 Jahren und sechs Monaten verhängt worden. Die drei Frauen sind gewaltlose politische Gefangene, die allein deshalb in Haft gehalten werden, weil sie sich gegen das diskriminierende Verschleierungsgesetz im Iran engagieren. Wenn die gegen die Aktivistinnen verhängten Haftstrafen im Berufungsverfahren bestätigt werden, müssen sie zehn Jahre davon im Gefängnis verbüßen.

Setz dich ein!

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Monireh Arabshahi, Yasaman Aryani und Mojgan Keshavar bitte unverzüglich und bedingungslos frei, da sie gewaltlose politische Gefangene sind und sich nur wegen ihrer Menschenrechtsarbeit in Haft befinden.
  • Stellen Sie bitte außerdem sicher, dass die drei Frauen bis zu ihrer Freilassung regelmäßig Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen ihrer Wahl haben.
  • Stellen Sie bitte die Kriminalisierung von Frauenrechtler*innen ein, einschließlich derjenigen, die gegen den Kopftuchzwang protestieren. Unternehmen Sie außerdem Schritte zur Abschaffung des Verschleierungsgesetzes.

Sachlage

Die beiden Menschenrechtsverteidigerinnen Monireh Arabshahi und Yasaman Aryani wurden am 31. Juli 2019 zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Gegen die Menschenrechtsverteidigerin Mojgan Keshavarz wurde eine Haftstrafe von 23 Jahren und sechs Monaten verhängt. Die Haftstrafen setzen sich zusammen aus einem Jahr wegen „Verbreitung von Propaganda gegen das System“, fünf Jahren wegen „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und zehn Jahren wegen „Anstiftung und Begünstigung von Verdorbenheit und Prostitution“ mittels eines Aufrufs, sich zu „enthüllen“. Mojgan Keshavarz wurde zusätzlich wegen „Beleidigung islamischer Heiligkeiten“ zu sieben Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteitl. Sollten die Schuldsprüche und Haftstrafen im Berufungsverfahren aufrechterhalten werden, müssen die drei Frauen nach den Richtlinien des iranischen Strafgesetzbuchs zehn Jahre der verhängten Strafen verbüßen.

Das Gerichtsverfahren gegen die drei Frauenrechtlerinnen fand vor der Abteilung 28 des Revolutionsgerichts in Teheran statt und war in höchstem Maße unfair. So hatten die Frauen zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens Zugang zu Rechtsbeiständen. Zudem soll der Vorsitzende Richte sie angeschrien und beleidigt sowie ihnen gedroht haben, sie zu jahrelanger Haft im Gefängnis Shahr-e Rey zu verurteilen, in dem Frauen, die wegen Gewaltverbrechen verurteilt wurden unter extrem schlechten Bedingungen inhaftiert sind. Der Richter lehnte die Anträge der drei Angeklagten auf Kontakt zu ihren Rechtsbeiständen ab und erklärte, ihre Rechtsbeistände würden erst im Berufungsverfahren Zugang zu den Gerichtsakten erhalten und sie erst dann vertreten können.

Monireh Arabshahi, Yasaman Aryani und Mojgan Keshavarz wurden im April im Zusammenhang mit einem Video, das in den Sozialen Medien weite Verbreitung fand, festgenommen. Der Clip wurde am Internationalen Frauentag 2019 aufgenommen und zeigt die drei Aktivist*innen, wie sie ohne Kopftuch durch eine Teheraner U-Bahn gehen und Blumen an weibliche Fahrgäste verteilen. Die drei Frauen sprechen in dem Video ihre Hoffnung aus, eines Tages die Freiheit zu haben, selbst entscheiden zu können, was sie tragen möchten. Nach ihrer Festnahme wurden die Frauen über einen langen Zeitraum in Einzelhaft gehalten, was nach dem Völkerrecht einen Verstoß gegen das absolute Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung darstellt. Zudem wurden die Frauen unter Druck gesetzt, vor einer Kamera zu „gestehen“, dass ausländische Elemente hinter ihrem Aktivismus gegen den Kopftuchzwang stehen und sie ihre Taten „bereuen“.

Hintergrundinformation

Da Monireh Arabshahi, Yasaman Aryani und Mojgan Keshavarz verschiedener Straftaten für schuldig befunden wurden, die jeweils zu unterschiedlich langen Haftstrafen führten, sieht das iranische Rechte bei der Bestätigung der Urteile vor, dass die längste Einzelstrafe verbüßt werden muss – in diesem Fall die zehnjährige Haftstrafe.

Am 8. März 2019 fand ein Video Verbreitung, dass zeigt, wie die drei Feministinnen ohne Kopftuch durch eine Teheraner U-Bahn gehen und Blumen an weibliche Fahrgäste verteilen. „Der Tag wird kommen, an dem Frauen nicht mehr kämpfen müssen“, hört man Monireh Arabshahi sagen, während Yasaman Aryani einer Frau mit Kopftuch eine Blume übergibt und ihrer Hoffnung Ausdruck verleiht, eines Tages Seite an Seite mit ihr die Straße entlanggehen zu können, „ich ohne Kopftuch und du mit Kopftuch“. Nachdem das Video online gegangen war, wurde Yasaman Aryani am 10. April von Sicherheitskräften im Haus ihrer Familie in Teheran festgenommen. Als sich ihre Mutter Monireh Arabshahi am nächsten Tag im Vozara-Haftzentrum in Teheran nach dem Verbleib ihrer Tochter erkundigen wollte, wurde auch sie festgenommen und ins Gefängnis Shahr-e Rey in Varamin in der Nähe von Teheran gebracht. Am 25. April wurde schließlich Mojgan Keshavarz zuhause gewaltsam festgenommen und ebenfalls ins Gefängnis Shahr-e Rey gebracht.

Nach ihrer Festnahme wurde Yasaman Aryani neun Tage lang in der Hafteinrichtung Vozara in Einzelhaft gehalten, ohne dass sie Kontakt zu einem Rechtsbeistand oder ihrer Familie hatte. Da die Behörden ihrer Familie keine Auskunft über ihr Schicksal oder ihren Verbleib gaben, war sie in dieser Zeit ein Opfer des Verschwindenlassens. Nachdem die Familie sich immer wieder nach ihr erkundigte, durfte Yasaman Aryani sie schließlich nach sechs Tagen kurz anrufen. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen hörte sie sich am Telefon verzweifelt an und konnte nicht frei sprechen, weil Sicherheitsbeamt*innen im Raum waren. Während sie in Einzelhaft gehalten wurde, drohte man ihr regelmäßig, ihre jüngeren Geschwister und ihren Vater festzunehmen, wenn sie nicht bereit sei, vor einer Kamera ihre ablehnende Haltung zum Kopftuchzwang abzulegen, die Online-Kampagne White Wednesdays gegen den Kopftuchzwang abzulehnen und ihre Reue darüber zu zeigen, dass sie sich von „anti-revolutionären oppositionelle Elemente“ aus dem Ausland habe anstacheln lassen. Man machte ihre auch immer wieder Angst, ihr Fall sei von der Außenwelt vergessen worden.

Am 18. April brachte man Monireh Arabshahi in die Hafteinrichtung Vozara. Sie und Yasaman Aryani wurden dann in einen Kleinbus gesetzt und ohne Erklärung an einen unbekannten Ort in Teheran gefahren. Als sie dann aus dem Wagen geholt wurden, standen sie vor einem Kamerateam des staatlichen Senders Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB), das sie ohne ihre Zustimmung filmte. Danach brachte man sie in einen Raum, in dem sie von dem Fernsehteam „interviewt“ wurden. Als die Frauen sich weigerten, wurde ihnen gesagt, sie hätten keine andere Wahl, als die Fragen zu beantworten. Mutter und Tochter verbrachten die Nacht in der Hafteinrichtung Vozara und wurden am 19. April ins Gefängnis Shahr-e Rey verlegt, wo sie sich nach wie vor befinden.

Gesetze zur obligatorischen Verschleierung verstoßen gegen eine ganze Reihe von Menschenrechten, so zum Beispiel die Rechte auf Gleichstellung, Privatsphäre, freie Meinungsäußerung und Glaubensfreiheit. Das Verschleierungsgesetz erniedrigt Frauen und Mädchen und beraubt sie ihrer Würde und Selbstachtung.

Die Sicherheit und das Wohlergehen von Monireh Arabshahi, Yasaman Aryani und Mojgan Keshavarz sind im Gefängnis Shahr-e Rey in großer Gefahr. Berichte aus dem Gefängnis deuten auf eine hohe Anzahl gewalttätiger Übergriffe – sowohl durch Mitgefangene als auch durch das Wachpersonal – sowie auf einen ungezügelten Drogenkonsum und Probleme durch Infektionskrankheiten hin. Das Wasser im Gefängnis ist salzig und eignet sich nicht zum Trinken. Deshalb müssen die Insass*innen überteuerte Wasserflaschen aus dem Gefängnisladen kaufen. Das Essen wird als ungenießbar beschrieben und die meisten Gefangenen ziehen es vor, ihr Essen im Gefängnisladen zu kaufen, dort gibt es fast nur Nahrungsmittel in Dosen. Die Gefangenen erhalten in der Regel Geld von ihren Familien oder sie arbeiten im Gefängnis, um Wasser und Nahrungsmittel kaufen zu können. Häufige Beschwerden sind auch Mangel an Wasser, zu wenig Frischluft und Klimaanlagen, schmutzige und zu wenige Badezimmer, sehr wenig Wasserdruck in den Duschen und viel zu wenig Betten, weshalb Gefangene auf dem Boden schlafen müssen. Den Gefangenen wird zudem eine angemessene medizinische Versorgung verweigert, dadurch gibt es viele ansteckende Krankheiten und Fälle von Hepatitis.

 

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