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Diskriminierung von Frauen im Sudan

17. Jänner 2020

Nach monatelangen Protesten kam es im letzten Jahr zum Sturz des Langzeitpräsidenten Omar al-Bashir und zur Bildung einer Übergangsregierung unter Premierminister Abdalla Hamdok. Die friedlichen Proteste wurden vor allem von Frauen und jungen Leuten getragen. Das Bashir-Regime reagierte mit brutaler Gewalt, was in dem Massaker vom 3. Juni 2019 gipfelte. Es gab über 100 Todesopfer und mehrere hundert Verletzte. Dabei gingen die Sicherheitskräfte (besonders die Rapid Support Forces, RSF) auch brutal gegen Frauen vor. Es kam zu vielen Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen auf Frauen, auch während der Haft.

In der Vergangenheit, unter Präsident al-Bashir, kam es häufig zu Übergriffen und sexueller Gewalt an Frauen. Besonders die RSF und der nationale Sicherheitsdienst NISS setzten Vergewaltigungen von Frauen als Kriegswaffe ein. Dies geschieht bis heute in den Konfliktregionen Darfur, Blue Nile und Südkordofan.

Besonders gefährdet sind Frauen und Mädchen, die in Flüchtlings-Camps leben. Sie werden oft von RSF-Milizen vergewaltigt, wenn sie z.B. außerhalb des Camps auf Feuerholzsuche sind.

Dass mehrheitlich Frauen demonstriert haben, liegt in ihrer Unterdrückung durch das islamische Regime der Sharia und die „Gesetze der öffentlichen Ordnung“ begründet, die auf die Zeit von Omar al-Bashirs zurückgehen. Diese Gesetze führen zur Einschränkung in allen Lebensbereichen der Frauen. Frauen wurde es untersagt, allein zu reisen oder ohne Begleitung auf die Straßen zu gehen, ihr Sozialleben wurde eingeschränkt, ihre individuelle Freiheit attackiert. Die islamische Regierung unter al-Bashir hat die Polygamie, Frühverheiratung, weibliche Genitalverstümmelung (über 80 % der Frauen) gefördert. Es gibt ein völlig ungerechtes Familienrecht. Eine Frau kann sich kaum scheiden lassen. Sie ist gezwungen, bei ihrem Mann zu bleiben, ansonsten wird sie von der Polizei aufgegriffen und zum Ehemann zurückgebracht. Polizei und Ehemann haben das Recht, die Frau zuhause einzusperren. Außerdem wurden neue Eheformen eingeführt. Die sogenannte „Lust“ und „Durchreise-Ehe“ wird durch einen Kurzzeitvertrag ohne jegliche Verpflichtung für den Mann, auch wenn daraus Kinder hervorgehen, abgeschlossen. Besonders aus finanzieller Not werden junge Mädchen zu diesen Eheformen von ihren Familien gezwungen.

Jedes Jahr werden mehrere 10.000 Frauen strafrechtlich verfolgt, willkürlich festgenommen und in der Haft geschlagen. Als Strafe erhalten sie oft Peitschenhiebe, weil sie Hosen trugen oder auf andere Art gegen die „Gesetze der öffentlichen Ordnung“ verstoßen hätten. Außerdem müssen sie Bußgelder zahlen und werden gezwungen, Verpflichtungen zu unterschreiben, keine Hosen oder keine kurzen Kleider mehr zu tragen.

Neben der Unterdrückung durch die Sharia-Gesetze und die Gesetze der öffentlichen Ordnung werden die Frauen auch ökonomisch ausgegrenzt. Es gibt Arbeitsverbote für Frauen, wie z. B. im Kleinhandel beim Tee- oder Essensverkauf auf der Straße oder an Tankstellen. Im Bildungsbereich wurden viele Frauen entlassen. Besonders gefährdet sind Frauen in ländlichen Gebieten. Sie arbeiten unbezahlt mehr als 15 Stunden am Tag im landwirtschaftlichen Sektor, danach zuhause im Haushalt.

Die Frauen im Sudan fordern ihre Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit. Sie gehen für ein Leben in Würde auf die Straße. Sie fordern eine Verfassung, die ihnen gleiche Rechte und Macht wie den Männern garantiert, die ihr Geschlecht respektiert, gleiche Partizipation am sozialen Leben zugesteht, um ihr Leben zu verbessern.

Amnesty International begrüßt die im November 2019 eingeleiteten Reformen, die den Frauen im Sudan wieder mehr Rechte einräumen. Das unter al-Bashir erlassene „Gesetz zur öffentlichen Ordnung“ wurde ersatzlos gestrichen.

Begleitet wurde die Streichung des Gesetzes von einer zweiwöchigen Aufklärungskampagne über die landläufige Gewalt an Frauen in der sudanesischen Gesellschaft. Der zivile Aufbau im Sudan zeigt auch Veränderungen für die Frauen: sie sprechen im Radio über Gleichberechtigung, gehen Tabu-Themen wie Genitalverstümmelung an und haben eine eigene Fußball-Liga gegründet. Aber in der 18-köpfigen Übergangsregierung sind nur vier Frauen vertreten. Deshalb kämpfen die Frauen weiter für eine Gleichberechtigung.

Anfang Januar 2020 protestierten Hunderte von Frauen und über 60 Frauenorganisationen in Khartum um von der Regierung die Unterzeichnung der „Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women (CEDAW)“ zu fordern. Sudan ist einer von fünf Staaten auf der Welt, der diese Konvention zum Beenden aller Formen von Diskriminierungen gegen Frauen noch nicht unterzeichnet hat.

Autorin: Martina Liedke - Amnesty International Koordinationsgruppe Sudan/Südsudan


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