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Sorge um Hoda Abdelmoniem

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Ägypten: Sorge um Hoda Abdelmoniem

4. Dezember 2020

Update Feber 2021

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Am 30. November 2020 erfuhr die Familie der inhaftierten Menschenrechtsanwältin Hoda Abdelmoniem, dass sie wegen starker Schmerzen und Verdacht auf Nierenversagen ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Ihre Angehörigen hatten sie zuletzt am 27. Oktober im Gerichtssaal gesehen. Sie dürfen sie nicht im Gefängnis besuchen. Es besteht deshalb große Sorge um die Gesundheit von Hoda Abdelmoniem. Sie wird seit über zwei Jahren ohne Verfahren in Untersuchungshaft gehalten, was gegen die in Ägypten gesetzlich erlaubte maximale Untersuchungshaftdauer verstößt.

Sachlage

Die Menschenrechtsanwältin Hoda Abdelmoniem wird seit mehr als zwei Jahren aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit willkürlich festgehalten. Am 27. Oktober 2020 verlängerte das Strafgericht von Kairo ihre Untersuchungshaft erneut um 45 Tage. Gegen sie werden haltlose terrorismusbezogene Vorwürfe erhoben. Die gesetzlich festgelegte maximale Untersuchungshaftdauer beträgt zwei Jahre. Ihre anhaltende Inhaftierung ist daher rechtswidrig.

Seit ihrer Inhaftierung am 1. November 2018 verweigert ihr die Verwaltung des Frauengefängnisses Al-Qanater jeglichen Besuch oder Kontakt zu ihrer Familie. Am 30. November 2020 erfuhr ihre Familie, dass Hoda Abdelmoniem wegen starker Schmerzen in ein externes Krankenhaus eingeliefert worden war. Ihre Familienangehörigen haben keinen Zugang zu ihrer Krankenakte und haben daher keine konkreten Informationen über den Gesundheitszustand der Menschenrechtsanwältin. Von den Familien anderer Insassinnen haben sie jedoch erfahren, dass eine Niere von Hoda Abdelmoniem versagt habe und die andere Niere nur noch schlecht arbeite. Am 1. Dezember 2020 erklärte das Innenministerium in einem Facebook-Post, dass Hoda Abdelmoinem angemessen medizinisch versorgt worden sei und sie sich in einem stabilen Zustand befinde. Anfang 2020 war Hoda Abdelmoniem, die unter Bluthochdruck leidet, nach einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Gefängnisverwaltung kam der mündlichen Bitte ihrer Rechtsbeistände auf Einsicht in ihre Krankenakte nicht nach. Die Rechtsbeistände wollen bei der nächsten Anhörung am 6. Dezember einen entsprechenden Antrag vor Gericht stellen.

Von März bis August 2020 waren Gefängnisbesuche aufgrund von Covid-19 ausgesetzt worden. Die Tochter von Hoda Abdelmoniem sagte Amnesty International, dass sie und andere Verwandte seither dreimal um einen Besuchstermin gebeten haben. Schließlich erhielten sie die Erlaubnis, Hoda Abdelmoniem am 12. September zu besuchen. Als sie allerdings im Gefängnis ankamen, sagte man ihnen, der Besuch sei abgesagt. Zuletzt haben ihre Angehörigen sie am 27. Oktober im Gerichtssaal gesehen. Eine Richter*in des Kairoer Strafgerichts gestattete ihnen, etwa zwei Minuten lang mit Hoda Abdelmoniem zu sprechen, ohne dass sie durch Gitterstäbe getrennt waren. In dieser kurzen Zeit waren die Angehörigen nicht in der Lage, genaue Informationen über die Gesundheit und Haftbedingungen von Hoda Abdelmoniem herauszufinden.

Hintergrundinfo

Am 1. November 2018 um 1:30 Uhr morgens drangen Sicherheitskräfte unbefugt in die Wohnung von Hoda Abdelmoniem in Kairo ein und durchsuchten sie. Danach verbanden sie der Anwältin die Augen und fuhren gemeinsam mit ihr zum Haus ihrer Mutter. Während die Sicherheitskräfte auch das Haus ihrer Mutter durchsuchten, ließen sie Hoda Abdelmoniem mit verbundenen Augen im Polizeiauto zurück. Die Tochter von Hoda Abdelmoniem war Zeugin der Festnahme. Die Männer wiesen sich gegenüber der Tochter als Angehörige der Staatssicherheit aus. Sie legten ihr jedoch keinen Haftbefehl vor und verweigerten auch jegliche Auskunft über die Gründe für die Festnahme oder den Zielaufenthaltsort ihrer Mutter. Sie gestatteten Hoda Abdelmoniem nicht, ihre Medikamente oder andere persönliche Gegenstände mitzunehmen. Nachdem der Verbleib von Hoda Abdelmoniem 20 Tage lang unbekannt war, wurde sie am 21. November 2018 der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) vorgeführt. Die SSSP ist eine Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft, die für Ermittlungen im Bereich nationale Sicherheit zuständig ist. Am nächsten Tag durften ihre Familienangehörigen sich mit ihr im Büro der SSSP treffen. Sie berichteten, dass sie noch dieselbe Kleidung trug wie vor ihrem Verschwindenlassen und dass sie Angst hatte, am ganzen Körper zitterte und nicht über die Geschehnisse sprechen wollte. Anschließend wurde Hoda Abdelmoniem erneut an einen unbekannten Ort gebracht. Am 24. und 28. November 2018 fanden im SSSP-Büro weitere Treffen zwischen Hoda Abdelmoniem und ihrer Familie statt. Vom 2. Dezember 2018 bis zum 14. Januar 2019 wussten ihre Angehörigen und Rechtsbeistände jedoch wieder nichts über ihr Schicksal oder ihren Verbleib.

Erst am 14. Januar 2019 wurde der Familie mitgeteilt, dass Hoda Abdelmoniem am 15. Januar 2019 erneut vor der Staatsanwaltschaft erscheinen werde. Dabei wurde ihre Untersuchungshaft abermals um 15 Tage verlängert. Sie sagte ihrer Tochter, dass sie nicht wisse, wo sie festgehalten wird. Die Tochter von Hoda Abdelmoniem gab an, ihre Mutter habe bei diesem Termin abgemagert ausgesehen, was auf die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und die schlechte Qualität des Essens zurückzuführen sei. Nach ihrer Befragung durch die SSSP brachten die Sicherheitskräfte die Anwältin wieder mit verbundenen Augen an einen unbekannten Ort. Nachdem sie weitere zwei Wochen "verschwunden" war, wurde sie am 31. Januar 2019 in das Frauengefängnis von Al-Qanater verlegt.

Am 1. November 2018, dem Tag der Festnahme von Hoda Abdelmoniem, begannen die ägyptischen Behörden eine Serie von Durchsuchungen und nahmen mindestens 31 Menschenrechtsverteidiger*innen fest – zehn Frauen und 21 Männer. Die Menschenrechtsorganisation Egyptian Coordination for Rights and Freedoms (ECRF), die das Verschwindenlassen von Personen und die zunehmende Anwendung der Todesstrafe dokumentiert sowie Opfern von Menschenrechtsverletzungen Rechtshilfe leistet, ist vom harten Vorgehen der Behörden besonders betroffen, da viele ihrer Mitglieder festgenommen wurden. In einer am 1. November 2018 veröffentlichten Erklärung kündigte die ECRF die Aussetzung ihrer Menschenrechtsarbeit an. Die Organisation bezeichnete die Situation in Ägypten als unvereinbar mit jeglicher Form der Menschenrechtsarbeit und forderte den UN-Menschenrechtsrat auf einzuschreiten.

Obwohl Insassinnen des Frauengefängnisses von Al-Qanater normalerweise Nahrungsmittel und Kleidungsstücke von Besucher*innen entgegennehmen dürfen, wurde Hoda Abdelmoniem dies verboten. Ihre Familie durfte ihr lediglich Medikamente und Geld für die Kantine bringen. Auf Nachfrage eines Familienmitglieds führte ein Gefängnisbeamter als Grund für das Verbot "Anweisungen" von Angehörigen der Staatssicherheit an.

Hoda Abdelmoniem engagierte sich ehrenamtlich als Rechtsberaterin bei der ECRF. Sie hat in den vergangenen Jahren Menschenrechtsverletzungen im Land dokumentiert, darunter auch Fälle des Verschwindenlassens. Des Weiteren ist Hoda Abdelmoniem ein ehemaliges Mitglied des nationalen Menschenrechtsrats und der Anwaltskammer von Ägypten. Ende 2013 wurde ihr ein Auslandsreiseverbot auferlegt, ohne dass sie eines Vergehens beschuldigt wurde. Am 27. November 2020 verlieh der Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft (Council of Bars and Law Societies of Europe – CCBE) seinen Menschenrechtspreis 2020 an Hoda Abdelmoniem und sechs weitere in Ägypten inhaftierte Anwält*innen.

In zahlreichen Fällen, die von der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) untersucht werden, verlängern die Behörden die Untersuchungshaft von Verdächtigen routinemäßig, ohne dass die Betroffenen anwesend sind oder ihre Rechtsbeistände die Möglichkeit haben, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung anzufechten. Bei den Anklagen handelt es sich häufig um haltlose terrorismusbezogene Vorwürfe. Viele der Betroffenen, so auch Hoda Abdelmoniem, werden länger als das absolute Maximum von zwei Jahren in Untersuchungshaft gehalten. In Paragraf 143 der ägyptischen Strafprozessordnung ist die Höchstdauer der Untersuchungshaft folgendermaßen festgelegt: sechs Monate für Personen, denen Straftaten vorgeworfen werden, die mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden können; 18 Monate bei Straftaten, auf denen bis zu 15 Jahre Haft stehen; und zwei Jahre bei Straftaten, die mit einer lebenslangen Haftstrafe oder der Todesstrafe geahndet werden können.