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Ägypten: schwerkranke Anwältin muss freigelassen werden!

31. Oktober 2022

Seit vier Jahren wird die Menschenrechtsanwältin Hoda Abdelmoniem schon willkürlich festgehalten. Gegen sie läuft ein Verfahren wegen konstruierter Anschuldigungen im Zusammenhang mit ihrer Menschenrechtsarbeit vor einem Notstandsgericht (ESSC). Die ägyptischen Behörden verweigern Hoda Abdelmoniem weiterhin den Kontakt zu ihrer Familie sowie eine angemessene medizinische Versorgung, obwohl sie schwere Herzprobleme hat und nur noch eine ihrer Nieren eingeschränkt arbeitet. Sie war deshalb bereits mehrmals im Krankenhaus. Hoda Abdelmoniem muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

 

Setz dich für Hoda Abdelmoniem ein!

 

Sachlage

Die ägyptische Menschenrechtsanwältin Hoda Abdelmoniem wird seit vier Jahren aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit willkürlich festgehalten. Nachdem sie 35 Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte, wies die Oberste Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit ihr Verfahren dem Notstandsgericht (ESSC) zu. Ihr wird vorgeworfen, einer "terroristischen Vereinigung" beigetreten zu sein und diese finanziert und unterstützt zu haben. Außerdem legt man ihr zur Last, über eine Facebook-Seite mit dem Namen "Egyptian Coordination for Rights and Freedoms" Falschnachrichten über Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte verbreitet zu haben, um Gewalt gegen staatliche Einrichtungen zu schüren.

Die ESSCs, die als Sondergerichte im Falle eines Ausnahmezustands tätig werden, sind für ihre unfairen Verfahren bekannt und ihre Urteile sind nicht anfechtbar. Hoda Abdelmoniems Recht auf eine angemessene Verteidigung wird verletzt, da sie sich mit ihrem Rechtsbeistand ausschließlich vor Gericht treffen darf. Der Prozess gegen sie begann am 11. September 2021 und ist noch nicht abgeschlossen. Während einer Gerichtsanhörung am 15. Oktober 2022 konnte Hoda Abdelmoniem ihrem Ehemann kurz von ihren sich verschlechternden Haftbedingungen berichten. Die Zeit reichte aber nicht aus, um weitere Details von ihr zu erfahren.

Am 23. August 2022 durften Hoda Abdelmoniems Ehemann und Töchter sie das erste Mal seit ihrer Festnahme 2018 im Gefängnis besuchen. Der Besuch dauerte 25 Minuten und fand unter der Aufsicht von Sicherheitskräften des Gefängnisses statt, wodurch Hoda Abdelmoniem nicht frei mit ihrer Familie sprechen konnte. Sie leidet an einer Herz- sowie Nierenerkrankung, einer arteriellen Thrombose und hohem Blutdruck. Im Oktober 2021 sagte sie vor Gericht, dass ein*e Gefängnisärzt*in ihr geraten habe, eine Herzkatheteruntersuchung bzw. -behandlung durchführen zu lassen. Die Verwaltung des Frauengefängnisses Al-Qanater, in dem Hoda Abdelmoniem inhaftiert ist, verweigert ihr weiterhin eine Verlegung in ein Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses und verwehrt ihren Angehörigen darüber hinaus immer noch die Einsicht in ihre Krankenakte, was die Sorge der Familie um ihren Gesundheitszustand noch verstärkt.

 

Hintergrundinformation

Hoda Abdelmoniem engagierte sich ehrenamtlich als Rechtsberaterin bei der ECRF. Sie dokumentierte in den Jahren vor ihrer Inhaftierung Menschenrechtsverletzungen im Land, darunter auch Fälle des Verschwindenlassens. Des Weiteren ist Hoda Abdelmoniem ein ehemaliges Mitglied des nationalen Menschenrechtsrats und der Anwaltskammer von Ägypten. Ende 2013 wurde ihr ein Auslandsreiseverbot auferlegt, ohne dass sie eines Vergehens beschuldigt wurde. Während ihrer Haft verlieh der Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft (Council of Bars and Law Societies of Europe – CCBE) seinen Menschenrechtspreis am 27. November 2020 an Hoda Abdelmoniem und sechs weitere in Ägypten inhaftierte Anwält*innen.

Am 1. November 2018 um 1:30 Uhr morgens drangen Sicherheitskräfte des Geheimdienstes unbefugt in die Wohnung von Hoda Abdelmoniem in Kairo ein und durchsuchten die Räumlichkeiten. Danach verbanden sie ihr die Augen und nahmen sie mit. Daraufhin wurde sie drei Wochen lang Opfer des Verschwindenlassens, bis sie zum Verhör vor die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) gebracht wurde. Anschließend brachte man sie wieder an einen unbekannten Ort. Am 24. und 28. November 2018 fanden im SSSP-Büro Treffen zwischen Hoda Abdelmoniem und ihrer Familie statt. Vom 2. Dezember 2018 bis zum 14. Januar 2019 wussten ihre Angehörigen und Rechtsbeistände jedoch wieder nichts über ihr Schicksal und ihren Verbleib – die Behörden weigerten sich, über Hoda Abdelmoniems Aufenthaltsort Auskunft zu erteilen.

Am 30. November 2020 erfuhr ihre Familie, dass Hoda Abdelmoniem wegen starker Schmerzen zuerst in das Gefängniskrankenhaus und anschließend in ein externes Krankenhaus eingeliefert worden war. Ihre Familienangehörigen hat keinen Zugang zu ihrer Krankenakte und daher keine konkreten Informationen über den Gesundheitszustand der Menschenrechtsanwältin. Von den Familien anderer Insassinnen hörten sie jedoch, dass eine Niere von Hoda Abdelmoniem versagt habe und die andere Niere nur noch schlecht arbeite. Am 1. Dezember 2020 erklärte hingegen das Innenministerium, dass Hoda Abdelmoinem angemessen medizinisch versorgt worden sei und sie keine schweren gesundheitlichen Probleme habe.

Am 1. November 2018, dem Tag der Festnahme von Hoda Abdelmoniem, begannen die ägyptischen Behörden eine Serie von Durchsuchungen und nahmen mindestens 31 Menschenrechtsverteidiger*innen und Anwält*innen fest – zehn Frauen und 21 Männer. Die Menschenrechtsorganisation Egyptian Coordination for Rights and Freedoms (ECRF), die das Verschwindenlassen von Personen und die zunehmende Anwendung der Todesstrafe dokumentiert sowie Opfern von Menschenrechtsverletzungen Rechtshilfe leistet, ist vom harten Vorgehen der Behörden besonders betroffen. In einer am 1. November 2018 veröffentlichten Erklärung kündigte die ECRF die Aussetzung ihrer Menschenrechtsarbeit an. Die Organisation bezeichnete die Situation in Ägypten als unvereinbar mit jeglicher Form der Menschenrechtsarbeit und forderte den UN-Menschenrechtsrat auf einzuschreiten.

Am 23. August 2021 wurde Hoda Abdelmoniem zusammen mit dem Menschenrechtsverteidiger und Gründer der ECRF, Ezzat Ghoniem, sowie mit Aisha al-Shater (Tochter von Shairat al-Shater, einem Anführer der Muslimbruderschaft) und Mohamed Abu Horira (Anwalt) und 27 weiteren Angeklagten von der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) vor ein Notstandsgericht (ESSC) gestellt. Die Vorwürfe der SSSP gegen sie lauteten unter anderem auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (der Muslimbruderschaft), Verbreitung von Falschnachrichten über Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte über eine Facebook-Seite mit dem Namen "Egyptian Coordination for Rights and Freedoms", Finanzierung einer terroristischen Vereinigung und Besitz von Flugblättern zur Förderung der Ziele der terroristischen Vereinigung.

Schon bei einer Gerichtsanhörung am 11. Oktober 2021 hatte Hoda Abdelmoniem den Richter*innen gesagt, dass ihr im Gefängnis eine Herzkatheteruntersuchung verschrieben wurde und dass eine*r der Mediziner*innen ihre Freilassung aus medizinischen Gründen beantragt habe. Laut des*der Gefängnismediziner*in seien jedoch derzeit Verlegungen in Krankenhäuser außerhalb des Gefängnisses aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt. Amnesty International hat jedoch Kenntnis von der Verlegung anderer Gefangener in externe Krankenhäuser seit dem Ausbruch des Coronavirus, einschließlich der kurzzeitigen Verlegung von Hoda Abdelmoniem am 30. November 2020 zur Behandlung eines vermuteten Nierenversagens.

Am 25. Oktober 2021 kündigte Präsident Abdel Fattah al-Sisi an, dass er den seit 2017 geltenden Ausnahmezustand nicht verlängern werde. Durch diesen Ausnahmezustand war die Einrichtung von ESSCs möglich. Paragraf 19 des Gesetzes über den Ausnahmezustand sieht jedoch vor, dass laufende Verfahren auch nach dessen Aufhebung fortgesetzt werden können. In den drei Monaten vor der Entscheidung bezüglich des Ausnahmezustands haben die ägyptischen Behörden noch mindestens 20 Verfahren gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen und Oppositionelle an die Notstandsgerichte übergeben.

Verfahren vor Notstandsgerichten sind per se unfair. Die Angeklagten dürfen gegen ihren Urteilsspruch und das Strafmaß keine Rechtsmittel bei einem Gericht höherer Instanz einlegen. Nur der Präsident ist befugt, Urteile zu genehmigen, aufzuheben oder umzuwandeln oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens anzuordnen. Außerdem werden den Angeklagten die Rechte auf angemessene Zeit und Mittel für die Vorbereitung der Verteidigung, auf Kommunikation mit einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und auf eine öffentliche Anhörung verweigert. Wenn Rechtsbeistände die Akten ihrer Mandant*innen, die in einigen Fällen mehr als 2.000 Seiten umfassen, kopieren wollen, wird dies von den Richter*innen routinemäßig abgelehnt. Stattdessen sollen sie die Akten im Gericht einsehen. Staatsanwält*innen und Richter*innen verletzten auch das Recht der Angeklagten auf genaue Informationen über Art und Grund der gegen sie erhobenen Anschuldigungen, indem sie weder ihnen noch ihren Rechtsbeiständen Kopien der Anklageschriften zukommen lassen.

 

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