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Ein Schlag gegen die Rechte von Arbeitsmigrantinnen

1. November 2020

Der libanesische Staatsrat Shura, das oberste Verwaltungsgericht des Landes, versetzte den Rechten von Hausangestellten einen scharfen Schlag, indem er die Umsetzung eines neuen einheitlichen Standardvertrags aussetzte, sagten Amnesty International und Human Rights Watch Ende Oktober. Der einheitliche Standardvertrag, den das Arbeitsministerium am 8. September 2020 verabschiedete, beinhaltete neue Schutzvorkehrungen für Arbeitsmigrant*innen, einschließlich wichtiger Schutzvorkehrungen gegen Zwangsarbeit. Das wäre ein wichtiger erster Schritt zur Abschaffung des extrem unfairen Kafala-(Patenschafts-)Systems gewesen. Dieses schränkt die Rechte der Arbeitnehmer*innen massiv ein, indem es für den Wechsel des Arbeitsplatzes und das Aufenthaltsrecht die Zustimmung der Arbeitgeber*innen erfordert.

Am 21. September reichte das Syndikat der Vermittlungsagenturen beim Shura-Rat eine Beschwerde ein, in der es den Rat aufforderte, die beiden Entscheidungen des Arbeitsministers zur Annahme des neuen einheitlichen Standardvertrags für migrantische Hausangestellte zu blockieren und für nichtig zu erklären und die zulässigen Abzüge, die ein Arbeitgeber vom Gehalt einer Hausangestellten - das dem nationalen Mindestlohn entspricht - vornehmen kann, auf 30 Prozent zu begrenzen. Der Shura-Rat entschied am 14. Oktober zugunsten der Vermittlungsagenturen mit der Begründung, dass diese Entscheidungen einen "schweren Schaden" für die Interessen der Agenturen darstellten. Der Rat nahm keinen Bezug auf die Rechte von Hausangestellten, zu deren Schutz der Libanon nach internationalem Recht verpflichtet ist.

Die libanesischen Behörden, einschließlich der Justiz, haben die Pflicht, die Rechte dieser Arbeiter*innen zu schützen, anstatt ein System zu schützen, das Ausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel erleichtert.

Diala Haidar, Libanon-Campaignerin bei Amnesty International

"Das beschämende Muster der Misshandlungen von Wanderhausangestellten im Rahmen des Kafala-Systems muss ein Ende haben", sagte Diala Haidar, Libanon-Campaignerin bei Amnesty International. "Die libanesischen Behörden, einschließlich der Justiz, haben die Pflicht, die Rechte dieser Arbeiter*innen zu schützen, anstatt ein System zu schützen, das Ausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel erleichtert.“

Schätzungsweise 250.000 Migrant*innen arbeiten als Hausangestellte im Libanon. Die Mehrheit sind Frauen aus afrikanischen sowie süd- und südostasiatischen Ländern, einschließlich Äthiopiens, der Philippinen, Bangladeschs und Sri Lankas. Sie sind vom Schutz des libanesischen Arbeitsrechts ausgeschlossen, und ihr Status im Land wird durch das Kafala-System geregelt - restriktive Einwanderungsregeln aus Gesetzen, Vorschriften und üblichen Praktiken, das den legalen Aufenthalt von Wanderarbeiter*innen an ihren Arbeitgeber bindet.

Human Rights Watch, Amnesty International und viele andere Organisationen haben jahrelang dokumentiert, wie das Kafala-System den Arbeitgebern erhebliche Kontrolle über das Leben der Arbeitnehmer*innen gibt. Dies hat zu einer Reihe von Missbräuchen geführt, darunter die Nichtzahlung von Löhnen, überlange Arbeitszeiten ohne Ruhetage oder Pausen sowie verbaler, körperlicher und sexueller Missbrauch. Hausarbeiterinnen wurden auch regelrecht eingesperrt. Diejenigen, die ihre Arbeitgeber ohne "Erlaubnis" verließen, liefen Gefahr, ihren rechtmäßigen Wohnsitz im Land zu verlieren und inhaftiert und abgeschoben zu werden. Der frühere Vertrag sah nur in extremen Fällen von Missbrauch Ausnahmen für Arbeitnehmer*innen vor, wobei die Beweislast bei diesen lag. Es war praktisch Zwangsarbeit.

Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden fast 90 Prozent der im Libanon beschäftigten Hausangestellten über eine Agentur angeworben. Diese Vermittlungsagenturen bringen die Arbeitskräfte über Partneragenturen im Herkunftsland oder über ihre eigenen Vertreter im Ausland in den Libanon. Ihr Geschäftsmodell beruht darauf, den Arbeitgebern hohe Anwerbegebühren zu berechnen, die zwischen 1.000 und 3.000 Dollar liegen.

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