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© DANI POZO/AFP/Getty Images

Presse © DANI POZO/AFP/Getty Images

Anti-Terrorgesetz führt zu Zensur von Kunst und Satire

12. März 2018

Gesetz zur Terrorismusbekämpfung schränkt die Meinungsfreiheit in Spanien ein

  • Freie Meinungsäußerung im Netz, Kunst und Satire geraten immer häufiger ins Visier der Terrorermittler
  • Auch in Österreich drohen aufgrund vager Terrordefinitionen Einschränkungen der Meinungsfreiheit

In Spanien sorgt ein drakonisches Gesetz, das die „Verherrlichung des Terrorismus“ verbietet, dafür, dass immer mehr Menschen strafrechtlich verfolgt werden. Auch beschneidet das Gesetz immer häufiger die freie Meinungsäußerung im Netz, sowie Kunst und Satire. Das zeigt ein Bericht von Amnesty International. Auch in Österreich drohen mit dem geplanten Überwachungspaket, im Namen der Terrorismusbekämpfung, schwere Eingriffe in die Grundrechte.

Der aktuelle Bericht von Amnesty International „Twittere... wenn Du es wagst: Wie Gesetze zur Terrorismusbekämpfung die Meinungsfreiheit in Spanien einschränken“ zeigt auf, dass in Spanien zahlreiche normale Social Media-Nutzer*innen, aber auch Künstler*innen und Journalist*innen aus Gründen der nationalen Sicherheit strafrechtlich verfolgt werden.

Künstler*innen angeklagt und in Haft

Das Vorgehen der Justiz hat eine abschreckende Wirkung: Menschen in Spanien haben zunehmend Angst, umstrittene Ansichten zu äußern oder kontroverse Witze zu machen.

Politische Satire wird kriminalisiert, Rapper werden für ihre Songtexte ins Gefängnis gesteckt. Das zeigt wie wenig heute in Spanien noch toleriert wird.

Esteban Beltrán, Direktor von Amnesty International Spanien

„Menschen, die etwas sagen, twittern oder singen, das als schockierend eingestuft wird, können strafrechtlich verfolgt werden – das darf nicht sein! Spaniens vage formuliertes Terrorgesetz hat zur Folge, dass die freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst in Gefahr sind“.

Artikel 578 des spanischen Strafgesetzbuches

Wer Terror „verherrlicht“ oder „die Opfer des Terrorismus oder ihre Angehörigen demütigt“, dem drohen gemäß Artikel 578 des spanischen Strafgesetzbuches Geldstrafen, Berufsverbot im öffentlichen Dienst oder Gefängnis. Die Zahl der nach diesem Artikel angeklagten Personen stieg von drei im Jahr 2011 auf 39 im Jahr 2017. Allein in den letzten zwei Jahren wurden fast 70 Personen verurteilt.

Cassandra Vera, eine 22-jährige Studentin, hatte auf Twitter Witze über das Attentat auf Luis Carrero Blanco während der Franco-Diktatur 1973 gemacht. Er wurde vor 44 Jahren durch eine Bombe der ETA getötet, die sein Auto 20 Meter in die Luft hob. Sie twitterte: „Die ETA hatte nicht nur eine Dienstwagen-Politik, sondern auch ein Raumfahrtprogramm“. 2017 wurde sie daraufhin zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt, da sie angeblich Opfer des Terrorismus „erniedrige“. Die Strafe führte dazu, dass sie ihr Universitätsstipendium verlor, und zu einem Berufsverbot im öffentlichen Dienst für sieben Jahre.

Ein Mann, der wegen 13 Tweets zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde, sagte zu Amnesty International: „Das Ziel ist es, ein Klima der Selbstzensur in der Bevölkerung zu schaffen. Und sie hatten bei mir Erfolg.“

Gefängnisstrafe für Rapper wegen „Terrorismusverherrlichung“

Das weitreichende und vage formulierte Gesetz gegen die „Verherrlichung des Terrorismus“ und die „Erniedrigung“ der Opfer führt in Spanien auch zur Einschränkung künstlerischer Freiheiten. Denn unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung und des Schutzes der nationalen Sicherheit kann die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden.

Im Dezember wurden zwölf Rapper des Kollektivs „La Insurgencia“ zu jeweils mehr als zwei Jahren Gefängnis und Geldstrafen verurteilt. Der Vorwurf: Sie hätten die kommunistische Untergrundgruppe GRAPO verherrlicht, eine Organisation, die – wie die ETA – heute nicht mehr aktiv ist. Auch andere Künstler*innen und Journalist*innen sind in Spanien wegen Artikel 578 ins Visier der Terrorismusermittlungen geraten.

Meinungsfreiheit auch in Österreich unter Beschuss

Auch in Österreich gibt es Tendenzen, unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung überschießende Gesetze einzuführen, die die Rechte und Freiheiten von jedem Menschen im Land massiv einschränken können.

Amnesty International kritisiert den aktuellen Entwurf des „Sicherheitspakets“ deshalb, weil dem Staat künftig die Möglichkeit gegeben wird, auf sämtliche Daten und Funktionen von Mobiltelefonen zuzugreifen. Diese geplanten Maßnahmen sind völlig unverhältnismäßig und verletzen das Grundrecht auf Privatleben. Darüber hinaus wird dadurch auch das Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 19 AEMR) eingeschränkt, weil es die Bereitschaft zur freien Kommunikation und zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit mindert, wenn Menschen ständig davon ausgehen müssen, dass ihre Gespräche, Nachrichten, Musikwahl und Fotoaufnahmen ständig überwacht und ausgewertet werden.

Amnesty International erkennt an, dass der Gesetzgeber die Aufgabe hat, die Bevölkerung vor Terrorismus und organisierte Kriminalität zu schützen. Dabei dürfen jedoch niemals menschenrechtliche Standards leichtfertig eingeschränkt werden: „Natürlich sind die Behörden verpflichtet, uns vor Terrorgefahren zu schützen. Überwachungsmaßnahmen dürfen aber nie zum Selbstzweck werden. Jede Einschränkung unserer Freiheiten muss genauestens menschenrechtlich geprüft werden“, sagt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.

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